Sonntag, 12. Juni 2011

Dojos' warme Platten: 13 & God und Ja, Panik

13 & God: Own Your Ghost

Am Anfang war der Akkord. Dann kamen 13 Typen und breiteten seltsam blinkende Geräte, verzerrte Gitarren und endlos lange Kabel vor ihm aus. "Wo führen diese Kabel nur hin?" fragte der Akkord. "Zu Gott!" sagten die 13 und als der Akkord neugierig im Synthesizer eines langhaarigen Hornbrillenträgers verschwand, wusste er nicht dass er diesen Ort nicht mehr heil verlassen würde. Ob Gott ihn noch erkannt hätte, den Akkord, wenn er so zerstückelt, verschnürt, und ausgeräuchert vor seiner Tür gestanden hätte? Vermutlich, denn laut Bandname ist er ja ein unverzichtbarer Bestandteil von 13 & God. Der Akkord darf sich also durchaus in guten Händen wähnen auf "Own Your Ghost", dem zweiten Album aus der Kollaboration von The Notwist und Themselves.

Wirkte der Vorgänger noch etwas sperrig und zusammengewürfelt, setzt sich auf "Own Your Ghost" schließlich der eingängige und innovative Spieltrieb beider Combos durch. Fast wirkt es, als ob The Notwist dort weitermachten, wo sie mit "Gone, Gone, Gone" auf ihrem 2008er Release "The Devil, You and Me" aufhörten. Zerbrechliche Akustikriffs und die schmerzhaft sanfte Stimme Micha Achers eröffnen das Album, dem es dann gleich in der zweiten Minute perkussiv klickernd an den Kragen geht. Das folgende, wirr vertrackte "Death Major" ist der erste Höhepunkt der Scheibe. Giftig schlängelt sich der Track vorbei an Trance und Hip Hop, umtänzelt Outkast und Hot Chip. Diesen manchmal poppig klingenden Flirt der Genres kontrastiert Doseones beschwörerisch wispernder Rap mit verstörender Grooviness. Es klickt und knarzt an jeder Ecke, doch hinter allem bleibt die Melancholie zu spüren. Auf "Death Major" in Form von synthethischen Chören, im darauf folgenden "Armored Scarves" im bewährt fragilen acherschen Songwriting. Notwistfans werden spätestens mit dem fünften Track vollkommen zufriedengestellt sein, denn das hymnisch luftige "Old Age" hätte in seiner Klarheit und Brillanz ohne weiteres auch auf dem Meilenstein "Neon Golden" seinen Platz finden können. Verfrickelt und ominös irrt das Album von da an weiter, mit knusprigen Beats und kariösen Synthieläufen, die bei "Death Minor" zu einer psychedelischen Fata Morgana irgendwo zwischen Air und den Beatles verschwimmen.

Unaufdringlich episch geht "Own your Ghost" schließlich zu Ende. Ein fast schon linearer Breakbeat, housige Claps und Störgeräusche aus den Anfängen der Telekommunikation schleichen sich langsam ins Verstummen. Das Album, in seiner Rätselhaftigkeit, gibt sich damit natürlich nicht so schnell zufrieden. Der Akkord will zurück zum Hornbrillenträger. "Own your Ghost", sagt die Repeattaste.

Das gesamte Album gibt es hier im Stream!




Ja, Panik: DMD KIU LIDT

Dass das Zitat ein richtungsweisendes Stilmittel sein kann, wissen wir ja spätestens seit Helene Hegemann und diversen politisch engagierten Doktoranden. Ja, Panik haben dieses Prinzip auf ihrem vierten Album "DMD KIU LIDT" bis ins kleinste Detail perfektioniert. Besser vielleicht: Revolutioniert. Es steckt so viel von Lou Reed, David Bowie, Bob Dylan, Ton Steine Scherben, den Doors, Falco und Blumfeld in ihren Tracks dass es über bloße Beeinflussung hinausgeht. Ja, Panik als Plagiatoren zu bezeichnen, wäre dennoch eine dreiste Fehleinschätzung. Treffender wäre, sie zur gegenwärtig originellsten Band aus dem deutschsprachigen Raum zu erklären.

Die dadaistische Schnörkellosigkeit, die als Grundstimmung durch die letzten drei Alben geisterte, ist auf "DMD KIU LIDT" einer heiteren Tragik gewichen. Gleich der Opener "This Ship Ought to Sink" strotzt vor Lebensbejahung und Resignation. "Diese Welt ist eine schrecklich dunkle Welt" heißt es triumphierend im Refrain, bei dessen Überschwang man nicht genau weiß, ob man dazu schunkeln oder in Tränen ausbrechen will. Das darauf folgende, sanftmütige "Trouble" ist ein Friedensangebot an Plauderton und Weltschmerz, an die süße Verlockung der Ausweglosigkeit, die eins der großen Themen des Albums ist und gleich im nächsten Track "The Horror" zum ohrwurmhaften Abgesang wird: "I didn't burn my guitar, but yes I burned the manifestos."

In der Tat wirken die Texte und Andreas Spechtls Gesang jetzt linearer und unaufgeregter, vor allem bei den Parts in englischer Sprache, die auf "DMD KIU LIDT" überwiegen. Die Experimentierfreude der Band zeigt sich jetzt vor allem in den Kompositionen. Vom karg instrumentierten "Nevermind“" das klingt als hätten sie dafür die Dire Straits in einer Berliner Fußgängerzone aufgegabelt, bis zum androgynen "Surrender", sind es musikalische Welten die Ja, Panik scheinbar mühelos ineinander legen. "The taste of now or never", wie in ebenjenem „Surrender“ besungen, bleibt die verbindende Gemeinsamkeit. Das folgende „Bittersweet“ wirkt dann ein bisschen, als hätte Robert Smith den Song in Jim Morrisons Badewanne in Paris liegen lassen, und Brian Molko ihn dort gefunden. Wie Spechtl da rangekommen ist, weiß man nicht, aber man merkt hier vor allem, dass er nicht bloß kopiert, sondern ein eigensinniger Künstler, mit einer wahnwitzigen Bandbreite an Stimmlagen ist.

"Ich seh' keinen Grund zu warten, denn ich hab alle Zeit der Welt": Gegenwartsgeil und exzessbejahend, immer auf dem schmalen Grat zwischen Aufbruch und Flucht tänzelnd, treiben die Österreicher die originelle Zitiererei weiter, bis sie mit "Suicide" in gewohnt narzisstischer Manier noch mal alle Existenz in Frage stellen, und damit den Weg für die pathetischen Schlusstracks ebnen. "The Evening Sun", der vorletzte Titel, ist eine wuchtige, pianogetragene Ballade die Sänger wie Hörer gleichermaßen leergerockt zurücklässt. "There is no secret worth to keep." ist hier mehr als Attitüde. Intim und fast schon selbstzerfleischend geht das Album dann schließlich zu Ende. "DMD KIU LIDT" verklingt als Refrain. Ausgeschrieben heißt der Albumtitel "Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit." Ob Zitat oder nicht, und trotz verbrannter Manifeste. Ja, Panik liefern ein Meisterwerk der Selbstinszenierung, und die Legitimation dafür gleich mit: "Nicht du bist in der Krise, sondern die Form die man dir aufzwingt." Vielleicht sind ja doch noch ein paar Buchstaben auf der Asche zu erkennen.

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