Montag, 29. August 2011

adlerkuss liest: Charlotte Roches "Schoßgebete"


Nachdem Charlotte Roches Debüt, der "Ekelroman" (BILD) "Feuchtgebiete", mit allerlei intimen Details über Ausscheidungen, Analfissur und Avocados aufgewartet hatte und dank des ungeheuren Medienechos mit über 1,3 Millionen verkauften Büchern zu einem ungeahnten Bestseller avancierte, steht seit Mitte des Monats der Nachfolger "Schoßgebete" in den Regalen.

Die Ich-Erzählerin in "Schoßgebete" ist Elizabeth Kiel, 33, die mit ihrem Mann Georg und ihrer Tochter aus einer früheren Beziehung zusammen in Köln lebt. Die äußere Handlung des an drei aufeinander folgenden Tagen spielenden Romans beschränkt sich auf Alltäglichkeiten des Familienlebens, mehrere Besuche Elizabeths bei ihrer Therepeutin und die Planung und Durchführung eines gemeinsamen Bordellbesuchs von Elizabeth und Georg. Weit erschöpfender wird jedoch in ausführlichen, hin und wieder einem Bewusstseinsstrom ähnelnden, frei assoziativen inneren Monologen die Seelenlandschaft Elizabeths beschrieben, die von einem Verkehrsunfall vor acht Jahren, bei dem drei ihrer Brüder ums Leben gekommen waren, traumatisiert ist und auch ihr nomadenhaftes Leben als Kind, dessen Mutter häufig die Partner wechselte, nie überwinden konnte. Von Verlustängsten und Perfektionswahn getrieben, richtet Elizabeth ihr Leben darauf aus, ihrem Kind ein gutes Zuhause zu bieten und alles zu tun, damit ihr Mann sie niemals verlassen möge. Mann und Kind werden dann auch ganz rational als einzige Gründe gegen Suizid genannt.

Emotionale Untiefen sind es, die Roche da erforscht und die auch dank ihres ungekünstelten, nahezu umgangssprachlichen (man könnte auch sagen: trivial vor sich hin plappernden) Stil durchaus ihre Wirkung beim Leser hinterlassen. Diese Elizabeth ist Mitleid erregend unsicher, neurotisch und kann der ewigen Angstspirale ihrer Gedanken nur beim Sex entfliehen.

Endlich, 24 Zeilen hat es hier in einem Text über ein Buch von "Sex-Autorin" (Der Spiegel (!)) Charlotte Roche gedauert, bis das Wort Sex gefallen ist und das liegt hauptsächlich daran, dass Sex zwar hin und wieder angesprochen wird, explizit jedoch nur zu Beginn und zum Ende des Romans vorkommt. In der Berichterstattung über das Buch ("Literatur oder schon Porno?") ist der Beischlaf natürlich das Auflagen machende, bestimmende Thema und der herausgebende Verlag Piper (""Schoßgebete" widmet sich einem unserer letzten Tabus: dem ehelichen Sex") weiß die öffentliche Diskussion verkaufsfördernd anzuheizen. Dabei verkommt Sexualität im Roman nie zum Schockwert oder zum Selbstzweck, sondern erfüllt für die Protagonistin die bipolaren Funktionen des Loslassens ihrer ewig quälenden Gedanken und des Festhaltens und Stärkens der Beziehung zu ihrem Mann.

Nicht unerwähnt bleiben dürfen der teils absurde und schwarze Humor, der Roches Stil an vielen Stellen auszeichnet und der sowohl explizite Sexszenen, als auch emotional schwergewichtige Passagen angenehm aufbricht und die lustvolle Überzeichnung Elizabeths, wenn sie beispielsweise doziert: ""Alle Getränke mit Zucker sind bei uns verboten, zum einem aus ganz normaler Amerikafeindlichkeit und weil sie auch sehr ungesund sind."

Der sich ja sowieso schon aufdrängende Vergleich zwischen Roches beiden Büchern, der durch den ähnlichen Titel nochmal forciert wird, fällt auf jeden Fall zugunsten des neuen Werkes aus, das deutlich reifer wirkt als das doch eher grobschlächtige "Feuchtgebiete". In "Schoßgebete" folgen wir 288 teils anstrengende, teils unterhaltsam und berührende Seiten lang dem sowohl schrecklichen, als auch komischen Seelenleben eines Traumaopfers. Und ja ja, Sex kommt schon auch vor.

Sonntag, 21. August 2011

Kurz und gut: "Monster" und "The Dummy"

Kurz und gut bedeutet heute einmal auch kurz und gruselig und ist damit nichts für schwache Nerven. Ich habe euch gewarnt!

In dem sehr atmosphärischen und wirklich angenehmen Grusel verbreitenden Schwarz-Weiß-Kurzfilm "Monster" geht es um eine Mutter, die mit der lebhaften Fantasie ihres Sohnes zu kämpfen hat, der behauptet, dass im Schrank ein Monster leben würde. Doch bald ist sich auch Mama nicht mehr ganz sicher...




"The Dummy", eine Filmhochschularbeit aus dem Jahr 1982 ist zumindest in den USA durch häufige Wiederholungen in der Anfangszeit des Kabelfernsehens ein Klassiker des Horrorkurzfilms. Trotz seiner sehr beschränkten Mittel ist "The Dummy" auch heute noch sehr effektvoll und verstörend. Die Handlung muss nicht kurz angedeutet werden, denn dass Bauchrednerpuppen Angst machen und pauschal böse sind, weiß ja eh jeder. Ein Einbetten des Films ist leider nicht möglich, doch der Extraklick lohnt sich.

Samstag, 20. August 2011

Gone, but not forgotten: Rio Reiser starb heute vor 15 Jahren

Mit Ton Steine Scherben machte der als Ralph Möbius geborene Rio Reiser Agitrock und Hausbesetzerhymnen für die linke Szene Westberlins ("Macht kaputt, was euch kaputt macht!), schrieb jedoch auch wunderschöne Liebeslieder ("Halt dich an deiner Liebe fest") und sicherte sich so einen Platz unter den ganz Großen der deutschen Popmusikgeschichte. Solo lavierte Reiser mit wechselndem Erfolg im Spannungsfeld von NDW, Schlager, Rock und Liedermacherei und war nebenbei auch als Autor und Schauspieler tätig.

Rio Reiser, der König von Deutschland, starb am 18. August 1996 im Alter von nur 46 Jahren an inneren Blutungen. Es ist vorbei, bye bye, Rio.



Montag, 15. August 2011

Sonniger Surf-Pop aus Irland: Das Debütalbum von Squarehead im Stream!

Das erste Album des Dubliner Trios Squarehead beglückt mit altmodischem Rock'n'Roll sowie groovendem Surf Pop und zaubert einen strahlend sonnigen Sommer 2011, wie es ihn im echten Leben nie gab. Das unangebracht bescheiden "Yeah Nothing" betitelte Werk, das hin und wieder auch an die frühen Weezer erinnert, hat mich schon beim ersten Hören schwer begeistert und ist mit seinen ein Lächeln ins Gesicht und ein Zucken ins Tanzbein zaubernden Klängen durchaus ein Kandidat für Jahreshighlightlisten. Hier bei adlerkuss anhören und dann gleich digital kaufen oder die CD vorbestellen!

Squarehead - Yeah Nothing [RIC027] by Richter Collective

Samstag, 13. August 2011

Ich glotz' TV: 5 Empfehlungen für das Fernsehprogramm von Sa. 13.08. bis Fr 19.08.

Samstag 13.08. 3Sat 20:15 Uhr
Halpern & Johnson

Joseph Halpern steht am Grab seiner Frau, die nach mehr als 50 Jahren Ehe verstorben ist. Da tritt der ihm völlig fremde Dennis Johnson heran, der seinerseits die Verstorbene jedoch nur zu gut kannte... Lionel Goldsteins Tragikomödie aus dem Jahr 2009, aufgezeichnet im Wiener Theater in der Josefstadt glänzt mit den großen alten Herren des österreichischen Theaters in den Hauptrollen: Otto Schenk (seinerzeit stolze 79 Lenze jung) und Helmuth Lohner (76) spielen grandios und es ist ein wahres Vergnügen solchen Meistern der darstellenden Kunst zuzusehen. Oft ist es ja eher schwierig sich für Theater im TV zu erwärmen, dieser neunzigminütige Dialog, der alle Gefühlsebenen durchläuft, ist jedoch mehr als sehenswert.


Sonntag 14.08. ZDF 13:45 Uhr
Durchs wilde Kurdistan

Als etwas weniger zeitaufwändige Sonntagnachmittagsalternative zu "Cleopatra" bietet sich der Karl-May-Klassiker mit Lex "Old Shatterhand" Barker an. Barker als Kara Ben Nemsi muss es mit dem bösen Machredsch von Mosul aufnehmen, der einen befreundeten Scheich gefangen nehmen ließ. Unterstützt wird er dabei natürlich von seinem Freund Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah.


Montag 15.08. arte 20:15 Uhr
Bevor es Nacht wird

Das Biopic von Julian Schnabel ("Schmetterling und Taucherglocke") zeigt das Leben des homosexuellen Autors Reinaldo Arenas im Kuba der 60er Jahre und basiert auf Arenas' gleichnamigem autobiografischen Roman. In der Hauptrolle dieses bildgewaltigen Dramas glänzt Javier Bardem, der mit diesem Part diverse Preise und eine Oscarnominierung einheimste und Johnny Depp (als Transe!) sowie Sean Penn in Nebenrollen sind auch aller Ehren wert.




Mittwoch 17.08. 3Sat 20:15 Uhr
Katja, Valentina, Marina - Eine russische Trilogie

Der Schweizer Journalist Christoph Müller hat für diese Langzeitdokumentation den Lebensweg dreier Frauen seit dem Ende der Sowjetunion begleitet. Anhand ihres Schicksals zeichnet Müller ein Porträt des neuen Russlands seit der dramatischen Umwälzungen vor mittlerweile mehr als 20 Jahren. Berührend und hoch spannend!


Donnerstag 18.08. ARD 22:45 Uhr
Im Tal von Elah

Kaum aus dem Einsatz im Irak heimgekehrt, verschwindet der US-Soldat Mike spurlos. Als seine Leiche gefunden wird, machen sich Mikes Vater (Tommy Lee Jones) und die Polizistin Emily auf Spurensuche... Das Drama des Crash-Regisseurs Paul Haggis wirkt zunächst wie ein Kriminalfilm im Militärmilieu, steht aber dann doch im viel größeren Kontext eines Porträts einer Nation im Krieg. Tommy Lee Jones als Kriegsveteran, dessen Weltbild in Wanken gerät, spielt fantastisch und der ganze Film ist traurig und sehr berührend.


Donnerstag, 11. August 2011

Gone, but not forgotten: Kleopatra starb heute vor 2040 Jahren

Kleopatra VII., die letzte Pharaonin Ägyptens, herrschte von 51 v.Chr. bis 30 v.Chr. Sie war die Geliebte von Julius Cäsar und ist mutmaßlich die Mutter seines einzigen leiblichen Sohnes. Außerdem ehelichte sie später mit Markus Antonius noch einen weiteren recht wichtigen Römer. Als ihre völlige politische Demontage durch Octavian (den späteren Kaiser Augustus) feststand, beging Kleopatra am 12. August des Jahres 30 v.Chr. angeblich mittels des Bisses einer Kobra Selbstmord.

Außerdem hatte sie natürlich "Diese Nase!", die von unserem Lieblingsdruiden wiederholt gerühmt wurde. Alles weitere Wissenswerte wurde 1963 im inflationsbereinigt bis zu dem 3D-Dings mit den blauen Männchen teuersten Film aller Zeiten in durchaus epischer Breite ausgeführt. Ich denke, ein Sonntagnachmittag in diesem Sommer wäre ideal geeignet für Richard Burton und Elizabeth Taylor in vier prächtig monumentalen Stunden "Cleopatra":