Donnerstag, 6. Oktober 2011

adlerkuss im Kino: Melancholia

Justine (Kirsten Dunst) und ihr frisch angetrauter Gemahl Michael (Alexander Skarsgård) kommen zu spät zu ihrer eigenen Hochzeitsfeier auf dem Schloss von Justines Schwester (Charlotte Gainsbourg) und deren Mann (Kiefer Sutherland). Doch das ist noch lange nicht das größte Problem des Abends. Justines geschiedene Eltern Gaby (Charlotte Rampling) und Dexter (John Hurt) leisten sich peinliche Szenen, vor allem aber ist die Braut nicht auf der Höhe, zieht sich immer wieder für längere Zeit zurück, wirkt auch emotional abwesend und gesteht Claire schließlich, dass sie schwer depressiv ist. Am Ende der Nacht hat sich Justine durch ihr Verhalten so vom Leben und ihren Mitmenschen entfremdet, dass sie ohne Job und wohl auch ohne Mann dasteht. Im zweiten Teil des Films steht Claire im Mittelpunkt, die ihre kaum noch lebenstüchtige Schwester bei sich aufgenommen hat. Claire, die eigentlich rationalere und selbstbewusstere der beiden wird durch ein kosmisches Ereignis ihrerseits zunehmend panisch: Der bisher unbekannte Planet "Melancholia" (nomen est omen) nähert sich der Erde und ist auf Kollisionskurs. Justine widerum blüht im Angesicht der Katastrophe sichtlich auf...

Regisseur Lars von Trier hatte schon immer ein Faible für leidende Frauen, von der blinden Björk über die gequälte Nicole Kidman bis hin zur völlig durchgeknallten Charlotte Gainsbourg in seinem letzten Film "Antichrist", der dem Zuschauer mit seinen expliziten Sex- und Gewaltszenen einiges abverlangt hatte. "Melancholia" ist im Vergleich dazu oder gar zur spartanischen Inszenierung von Triers Werke im "Dogma"-Stil ein wunderschön durchkomponierter Film mit sensationellen Bildern. Von Trier hatte angekündigt, "a beautiful film about the end of the world" drehen zu wollen und das ist ihm auch in überaus bbeeindruckender Manier gelungen. Noch vor der eigentlichen Handlung steht ein Prolog mit surrealistischen Tableaus in Superzeitlupe; aus Kirsten Dunsts Fingern schlagen Funken, Charlotte Gainsbourg trägt einen Jungen auf dem Arm und versinkt bei jedem Schritt tief im Gras, Vögel fallen tot vom Himmel. Allein diese von Richard Wagners Vorspiel zu "Tristan und Isolde" untermalten Anfangsszenen sind schon das Geld für die Kinokarte wert.

Auch die Leistung der Schauspieler ist fantastisch, allen voran die von Kirsten Dunst, deren subtile und eindringliche Darstellung der nahezu antriebslosen, ihrer eigenen Persönlichkeit abhanden gekommenen Justine ebenso überzeugt, wie deren beinahe unheimliches Aufblühen im Angesicht der nahenden Apokalypse. Charlotte Gainsbourg, deren Claire durchgehend als Gegengewicht zu Justine angelegt ist, bildet einen starken Kontrapunkt und auch das restliche, überaus prominente Ensemble ist ein Genuss.

"Melancholia" erinnert in seiner überwältigenden Stilisierung und seinem Pathos an eine barocke Oper, inhaltlich feiert er jedoch den Weltuntergang als definitive Katharsis für eine degenerierte Gesellschaft. Es ist neben der überwältigenden Darsteller auch dieses Spannungsverhältnis, das den Film so überaus faszinierend macht. Lasst "Melancholia" auf euch zurasen!

Deutscher Kinostart: 06.10.

Wertung: 4,5 von 5 Adlern.







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