Sonntag, 29. Januar 2012

Ich glotz' TV: 5 Empfehlungen für das Fernsehprogramm von Mo. 30.1. bis Fr. 3.2.

Montag 30.1. ARD 22.45 Uhr
Wenn die Amerikaner gehen – Das Erbe des Irakkriegs

Bis Ende 2011 hatten nahezu alle amerikanischen Soldaten den Irak verlassen. Sowohl Einheimische, als auch internationale Beobachter sehen den Truppenabzug mit gemischten Gefühlen. ARD-Korrespondent Jörg Armbruster reiste im Dezember und Januar durch den Irak und sprach mit Familien, Sicherheitskräften und Widerstandskämpfern. Eine spannende und aktuelle Doku zur Lage einer Nation.


Dienstag 31.1. arte 20.15 Uhr
Ein Lied für eine Königin

Anlässlich des 60. (!) Jahrestags der Thronbesteigung von Elisabeth II. am 6. Februar wirft Filmemacher Don Kent einen respektlosen und durchaus auch humorvollen Blick auf die Rolle der britischen Königin und den Status der Monarchie auf der Insel. Jenseits jeglicher Hofberichterstattung ist dieses Porträt, das zahlreiche Exklusivinterviews mit Prominenten aus Politik und Gesellschaft enthält, eine sehenswerte Abhandlung über das Verhältnis der Briten zu ihrer Queen.


Mittwoch 1.2. 3Sat 23 Uhr
Tag ohne Ende

Eine Gruppe versprengter amerikanischer Fußsoldaten im Korakrieg versucht einen Tag und eine Nacht lang, sich zu den eigenen Truppen durchzuschlagen. Mehr Handlung, Erzählzeit oder Schauplätze benötigt Anthony Manns famoser Antikriegsfilm aus dem Jahr 1956 nicht, um packend, ergreifend und in seinem Minimalismus nahezu naturalistisch und atemberaubend die Absurdität und den Irrsinn des Krieges zu demonstrieren. Hart, aber unbedingt sehenswert!


Freitag 3.2. RTL 20.15 Uhr
Wer wird Millionär

Seit September 1999 moderiert Günther Jauch die äußerst erfolgreiche Quizshow mit dem simplen Konzept und dem unschlagbaren Mitratefaktor und am Freitag ist es zum 1000. Mal soweit! Zu den genannten Qualitäten kommen noch der bübische Jauchsche Charme und eine gewisse Unberechenbarkeit der Ereignisse, die "Wer wird Millionär" auch im vierzehnten Jahr noch zu einem der sehenswertesten Formate im TV überhaupt werden lassen. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum, auf die nächsten 1000! Zur Feier des Tages hier noch ein humoristisches Highlight der Wer-wird-Millionär-Geschichte:




Freitag 23.1. arte 21.50 Uhr
Schloss des Schreckens

Wer genug hat von den Fragen bei RTL, kann sich auf arte mit andersartig rätselhaften Dingen beschäftigen: Pfarrerstochter Ann tritt in den 1920er Jahren auf einem englischen Landsitz den Job als Gouvernante für zwei Waisenkinder an. Schon bald ist sie überzeugt, dass die beiden Kids von bösen Geistern besessen ist... Dieser großartige Gruselfilm, der gerade durch Reduktion maximalen Effekt beim Zuschauer bewirkt, basiert auf Henry James' Novelle "Die Drehung der Schraube". Danach besser ausgehen, denn an Schlaf wird so schnell nicht zu denken sein...


Samstag, 21. Januar 2012

adlerkuss im Kino: Verblendung

Der gerade wegen Verleumdung verurteilte Enthüllungsjournalist Mikael Blomkvist (Daniel Craig) erhält von Industriepatriarch Henrik Vanger (Christopher Plummer) den Auftrag, das über vierzig Jahre zurückliegende Verschwinden von dessen Nichte Harriett aufzuklären. Unterstützt wird er dabei von der sowohl optisch als auch im sozialen Miteinander äußerst unorthodoxen Hackerin Lisbeth Salander (Rooney Mara). Im Zuge der Ermittlungen tauchen die beiden tief in die Vangersche Familiengeschichte ein...

"Verblendung" ist der erste Teil von Stieg Larssons unfassbar erfolgreicher "Millennium"-Romantrilogie, die bereits vor zwei Jahren fürs schwedische Fernsehen verfilmt worden war. Da die Bücher jedoch auch auf dem US-Markt sehr beliebt waren und ausländischen Filmproduktionen jenseits des großen Teichs grundsätzlich eher mit Stirnrunzeln begegnet wird, musste natürlich eine US-Adaption des Stoffes her. Der mit düsteren Thrillerstoffen ja durchaus vertraute "Sieben"-Regisseur David Fincher inszenierte einen hochklassigen und harten Film, der der Vorlage mehr als gerecht wird, ja sogar die eine oder andere holprige Stelle des Romans eleganter zu lösen versteht.

Daniel Craig überzeugt als Journalist und "Anti-Bond" Blomkvist, der angenehm zurückhaltend und wenig heldenhaft angelegt ist. Absolut im Zentrum des Geschehens steht jedoch, wie es der Originaltitel schon sagt, "the girl with the dragan tattoo". Newcomerin Rooney Mara spielt mit vollem Körpereinsatz, ihre beeindruckende Lisbeth Salander ist gnadenlos tough, zeigt aber auch immer wieder ihre unsichere, verletzliche Seite. Die starken schauspielerischen Leistungen werden ergänzt von Finchers stilisicherer und eleganter Inszenierung eines düsteren Schweden in blauen Farbtönen und der hypnotischen Filmmusik von Trent Reznor und Attacus Ross. "Verblendung" ist ein spannender und intelligenter Thriller für Erwachsene. Fortsetzung folgt hoffentlich...

Deutscher Kinostart: 12.01.

Wertung: 4,5 von 5 Adlern







Für den atemberaubend fantastischen Trailer gäbe es 6 von 5 Adlern:

Freitag, 20. Januar 2012

Ich glotz' TV: 5 Empfehlungen für das Fernsehprogramm von Sa. 21.01. bis Fr 27.01.

Zurück in good ol' Tschörmanie gibt's auch wieder immer (öfter?) fünf Tipps für die kommende Fernsehwoche.

Sonntag 22.1. ARD 23.35 Uhr
Me Too - Wer will schon normal sein?

Daniel hat einen Hochschulabschluss und das Down-Syndrom. Er arbeitet in einem Amt in Sevilla und verliebt sich in seine erfrischend sympathische Kollegin Laura... Unverkrampft und ohne aufgesetzte Sentimentalität erzählt das tragikomische Drama die wahre Geschichte von Pablo Pineda, dem ersten europäischen Hochschulabsolventen mit Down-Syndrom, der sich hier selbst spielt. Äußerst sehenswert!



Montag 23.1. ARD 19.20 Uhr
Gottschalk Live

Der Tommy der Nation, dessen Nachfolge bei "Wetten, Dass??" eine der großen ungeklärten Fragen der Republik bleibt, wagt sich viermal pro Woche in den Vorabend – und das mit einem eher vagen Konzept: Gottschalk will aktuelle Themen aufgreifen, mit Promis plaudern und (Achtung, Anbiederung an die jungen Leute) live mit Zuschauern übers Internet kommunizieren. Man kann gespannt sein! Erster Gast am Montag ist Michael Bully Herbig.

Montag 23.1. ARD 20.15
Der H&M-Check

Am besten nach Gottschalk und der Tagesschau gleich dranbleiben zur letzten Ausgabe des Markenchecks. Nach u.a. Lidl und McDonald's schaut ein Reporterteam diesmal beim schwedischen Klamottengiganten hinter die Kulissen. Wie kommt's, dass wir bei H&M so günstig einkaufen können? Wie ist die Qualität der Ware? Und wie schaut es mit den Arbeitsbedingungen in den Herstellungsländern aus? Durchaus Fragen, die es zu stellen lohnt, gerade da wir ja mehr oder weniger alle mehr oder weniger regelmäßige Kunden von H&M sind.

Mittwoch 25.1. 3Sat 22.25
25 Grad im Winter

Kurierfahrer Miguel hat auf der Fahrt durch Brüssel nicht nur seine Tochter im Auto, nachdem er von deren Mutter verlassen wurde, sondern auch seine ewig besserwissende Mutter und die illegale Einwanderin Sonia aus der Ukraine, die auf der Suche nach ihrem verschwundenen Mann ist... Das turbulent multikulturelle, belgische Roadmovie ist so herzerwärmend wie aberwitzig.

Freitag 28.1. arte 20.15
Mitte Ende August

Hanna und Thomas verbringen den Sommer in ihrem neuen Häuschen im idyllischen Brandenburg, als Thomas zu Hannas Missfallen seinen vom Leben frustrierten Bruder einlädt. Hanna holt ihrerseits Patenkind Augustine ins Haus und schon ist das Liebesviereck komplett... Angelegt an Goethes Wahlverwandtschaften ist "Mitte Ende August" auch Ende Januar eine subtil erzählte und dennoch mitreißende Dramödie.

Montag, 16. Januar 2012

Top 10 Filme 2011: Platz 5-1

Letzte Nacht vergab die Hollywood Foreign Press Association als Appetithappen die Golden Globes, heute kürt adlerkuss die besten fünf Filme des letzten Jahres:

5. Blue Valentine (USA, Regie: Derek Cianfrance)

"Blue Valentine" porträtiert das Zusammenfinden eines Paares (enorm authentisch dargestellt von Ryan Gosling und Michelle Williams) und das Zerbrechen seiner Ehe sechs Jahre später. Wie in einer zeitgenössischen Version von Ingmar Bergmans "Szenen einen Ehe" wird der Zuschauer hier von der (selbst-)zerstörerischen Macht von Liebe und Hass gepackt und erschüttert. Drastisch, roh, ehrlich und getragen von großartigen schauspielerischen Leistungen der Hauptdarsteller ist "Blue Valentine" das Feel-Bad-Movie des Jahres.



4. The King's Speech (Großbritannien/USA, Regie: Tom Hooper)

Die Geschichte der Männerfreundschaft zwischen dem späteren englischen König Albert und seinem Sprachtherapeuten ist ein überzeugendes, warmherziges und humorvolles Vergnügen. Wie Colin Firth die Wandlung vom verunsicherten Stotterer, der sich scheut, die Verantwortung der Königsrolle zu übernehmen, zur strahlenden Figur des Landesvaters glaubhaft und subtil mit Leben füllt ist beeindruckend und berührend. Das Darstellerensemble, die Dialoge, Musik und visuelle Ausstattung – alles an "The King's Speech" ist wahrhaft königlich.



3. Melancholia (Dänemark/Schweden/Frankreich/Deutschland, Regie: Lars von Trier)

Die schwer depressive Justine (Kirsten Dunst) ruiniert ihre eigene Hochzeitsfeier und wird von ihrer Schwester Claire aufgenommen, während der bisher unbekannte Planet "Melancholia" (nomen est omen) sich der Erde nähert und auf Kollisionskurs ist... "Melancholia" erinnert in seiner überwältigenden Stilisierung und seinem Pathos an eine barocke Oper, inhaltlich feiert er jedoch den Weltuntergang als definitive Katharsis für eine degenerierte Gesellschaft. Es ist neben der überwältigenden Darsteller auch dieses Spannungsverhältnis, das den Film überaus faszinierend und nachhaltig beeindruckend macht.



2. Submarine (Großbritannien, Regie: Richard Ayoyade)

Wales, 1986: Der fünfzehnjährige Außenseiter Oliver ist verliebt und versucht außerdem, die Ehe seiner Eltern zu retten. Der Kontrast zwischen Olivers durch Voiceover und schicke Schnitte vermittelter Gedankenwelt und seiner tatsächlichen Lebensrealität ist hinreißend komisch, aber auch berührend. Ayoade inszeniert leichtfüßig, anspielungsreich und nähert sich wann immer es passt auch der Ästhetik von Musikvideos. "Submarine" ist sicherlich die beste (Tragi-)Komödie des Jahres, ein kleines, charmantes, absolut gelungenes Meisterwerk, das weit über den Kinobesuch hinaus verzaubert und begeistert.



1. Black Swan (USA, Regie: Darren Aronofsky)

Für die amerikanischen Kritiker war das Ballett-Psycho-Horror-Drama bereits einer der besten Filme 2010, da "Black Swan" in Europa jedoch erst im Januar gestartet war, breitet der schwarze Schwan seine Schwingen bei adlerkuss auf dem Spitzenplatz der besten Filme 2011 aus.

Für die perfektionistische Balletttänzerin Nina (Natalie Portman) geht ein Traum in Erfüllung: In einer Neuinszenierung von Schwanensee soll sie sowohl die weiße Schwanenkönigin Odette, als auch deren schwarzes und leidenschaftliches Gegenstück Odile tanzen. Letzteres traut der charismatische, aber auch zundringliche Regisseur Thomas (Vincent Cassel) ihr aber nur schwerlich zu. Außerdem setzen ihre übermäßig fürsorgliche Mutter (Barbara Hershey), die die eigenen enttäuschten Karriereträume über ihre Tochter auszuleben versucht und die jüngere, unbeschwerte Tänzerin Lily, die zur ernstzunehmenden Konkurrenz zu werden scheint, Nina zusätzlich derart unter Druck, dass sie sowohl physisch als auch zunehmend psychisch zu zerbrechen droht.

Natalie Portman, die bereits 8 Monate vor Drehstart mit dem Training begonnen und zudem für den Film zehn Kilo abgenommen hat, steht in nahezu jeder Szene des Films im Mittelpunkt und ist in der Rolle der zerbrechlichen und zunehmend gebrochenen Nina absolut überzeugend. Aber auch Vincent Cassel als abgründiger Regisseur und vor allem Barbara Hershey als übermächtige Mutterfigur mit Kontrollzwang liefern großartige darstellerische Leistungen ab.

Die visuelle Inszenierung mit ihren sorgsam dosierten Spezial- und Schockeffekten, die herausragenden Darsteller und die großartige Musik von Clint Mansell, der eine Art Albtraumversion von Tschaikowskys Schwanensee geschaffen hat, ergeben ein beeindruckendes Kinoerlebnis, das das Publikum in den Sessel fesselt und ihm vor allem in der furiosen und atemberaubenden letzten halben Stunde den Mund vor Staunen offen lässt. Regisseur Darren Aronofsky, der hier ebenso wie bereits vor zehn Jahren mit "Requiem for a Dream" mit intensiven Bildern eine kranke Seele in Szene zu setzen weiß, ist mit "Black Swan" ein verstörendes Meisterwerk gelungen, das dem Zuschauer durch Mark und Bein geht und ihn auch nach dem Kinobesuch nicht so schnell los lässt.

Dienstag, 10. Januar 2012

Top 10 Alben 2011: Platz 5-1

Die Welt hielt den Atem an, die Börsen sind wie gelähmt und Herr Wulff hat mir auch schon auf die Mailbox gesprochen: Ist ja gut, hier sind Platz 5 bis 1 der besten Alben des Jahres 2011.

5. Girls: Father, Son, Holy Ghost (September 2011)

Von den ersten Klängen des Beach-Boys-seeligen Openers "Honey Bunny" bis zur sanften, folkigen Ballade "Jamie Marie" am Ende des Albums ist "Father, Son, Holy Ghost" ein fröhlich-melancholisches Indie-Rock-Album ohne Durchhänger und dabei eingängiger und ausgereifter als das mit vielen Brüchen doch eher fordernde erste Werk der "Mädels". Der Höhepunkt bleibt für mich das hier nochmal zum Download bereite "Vomit". "Come into my heart", fordert Sänger Christopher Owens in der hymnischen Coda dieses potenziellen Songs des Jahres wiederholt – zumindest umgekehrt hat "Father, Son, Holy Ghost" absolut einen Platz in meinem Herzen gefunden.

Bester Song: Vomit (Track 6)



4. The Horrors: Skying (Juli 2011)

Hymnisch-sphärische Gitarren- und Synthiewände wecken Erinnerungen an den Klang britischer Bands der 80er Jahre wie Echo & The Bunnymen, hin und wieder klingt es auch so als würden sich New Order an The Cure's "Disintegration" versuchen. Elegantes, intelligentes Songwriting, Faris Badwans angenehm charakteristische Gesangsstimme und satte Produktion machen "Skying" zu einem großen Erlebnis – The Horrors' drittes Album ist hypnotische Euphorie und akustisches Ecstasy .

Bester Song: Endless Blue (Track 4)



3. Ja, Panik: DMD KIU LIDT (April 2011)

Die in Berlin ansässigen Burgenländer von Ja, Panik kann man spätestens seit diesem vierten Album zur gegenwärtig originellsten Band aus dem deutschsprachigen Raum erklären. Andreas Spechtls denglischer Gesang wirken konsequent stoischer und unaufgeregter als in der Vergangenheit, ist doch auch die süße Verlockung der Ausweglosigkeit eines der großen lyrischen Themen des Albums. Musikalisch herrscht Eklektizismus zwischen Folkballade, schmeichelndem Streichersatz und hibbeligen Synthies. Hauptsächlich jedoch waren referenzwütige Intellektualität und Selbstzerrissenheit im Angesicht verkrusteter sozialer Strukturen niemals catchier, charmanter und ohrwurmiger als hier.

Bestes Lied: Barbarie (Track 3)



2. Björk: Biophilia (Oktober 2011)

Bei allen Songs auf Björks stärkstem Album seit vielen, vielen Jahren steht ihre einzigartig berührende Stimme im Mittelpunkt, die teilweise sogar noch zum Chor vervielfacht wird. Die Instrumentierung hierzu ist meist zurückhaltend und immer ungewöhnlich, unter Einsatz eigens erfundener Musikinstrumente (u.a. ein Tesla-Spulen-Synthesizer!) wurden Gitarre und Klavier völlig verbannt. Der nur spärliche Einsatz von Beats oder überhaupt rhythmisierenden Elementen lässt die Songs gar zauberhaft ätherisch schweben – ein wahrhaft überirdischer Genuss, der deutlich ohrenschmeichelnder und weniger experimentell-herausfordernd ist als vieles, was Frau Guðmonsdóttir in ihrem so vielseitigen bisherigen Œuvre zu bieten hatte, ohne dadurch jeder weniger individuell oder faszinierend zu sein.

Bestes Lied: Crystalline (Track 4)



1. Radiohead: The King of Limbs (Februar 2011)

Manchmal befürchte ich, dass mir bei dieser Band die Kritikfähigkeit ein ganz klein wenig abhanden gekommen sein könnte... Aber nein doch, dieses durchgehend faszinierend reduzierte, immer stimmige Album ist ganz einfach brillant. Radioheads "The King of Limbs", das Album des Jahres:

Flirrendes Piano, das sich zum Zweitonloop verkürzt. Dann setzt zunächst ein vertrackter, synkopischer Beat ein, bevor Drummer Phil Selway noch einen weiteren gegenläufigen Rhythmus einbaut und schließlich Thom Yorkes charakteristische Stimme in klagendem Moll die ersten Worte des Albums intoniert: "Open your mouth wide, the universe will sigh..." So widerspenstig elektronisch kalt und doch so "Everything in its right place" wie beim Opener "Bloom" hat man die Band seit dem Album "Kid A" im Jahre 2000 nicht mehr gehört. Auch beim nächsten Song "Mr. Magpie" ordnet sich die akustische Gitarre dem hektischen Beat, dem zunehmend düsteren Rauschen und dem vagen Hintergrundsummen unter, so wirft Yorke in ungewohnt tiefer Stimmlage passenderweise doch auch dem titelgebenden "Herrn Elster" vor: "Now you’ve stolen all the magic / Took my melody".

Doch dass Radiohead die Melodien noch nicht abhanden gekommen sind, beweist – vom elektronisch zuckenden Klangfransenteppich "Feral" abgesehen – schon allein der Rest des Albums, angefangen mit dem durchaus ohrwurmigen Refrain des locker groovenden "Little by Little" und der Vorabsingle "Lotus Flower", die auf großartige Weise einen tanzbaren Beat und eine sphärisch-schwebende Gesangsmelodie kombiniert. Diese Lotosblume, die im Buddhismus ja auch für Erleuchtung steht, scheint auch einen Übergang zu bilden zwischen der elektronischer geprägten ersten Hälfte des Albums und zwei darauffolgenden großen, emotionalen Balladen: Das berührende "Codex" wartet mit Klavier, Bläserensemble und herzzerreißenden Versen wie "Slide your hand / Jump off the end / The water’s clear / And innocent" auf und im etwas an Pink Floyd erinnernden, von einer akustischen Gitarre begleiteten und mit Vogelzwitschern beginnenden "Give Up the Ghost" wiederholt ein geisterhafter Hintergrundchor das Mantra "Don't hurt me / Don't haunt me" während Yorkes zärtliches Falsett lyrisch vage das Ende einer Beziehung besingt. Im durchaus fröhlichen, wie schwebenden, wunderschönen letzten Song "Seperator" schließlich werden Gitarre und warme Keyboardflächen nochmal mit einem im Vordergrund stehenden Schlagzeugrhythmus kombiniert und Yorke intoniert: "It’s like I’ve fallen out of bed from a long and vivid dream / Finally I’m free of all the weight I’ve been carrying". Hach!

Beste Songs: Seperator (Track 8) und Lotus Flower (Track 5)



Sonntag, 8. Januar 2012

Top 10 Filme 2011: Platz 10-6

Im Kinojahr 2011 gab es zwar absoluten Krampf wie Jimi Blue Ochsenknecht als Rapper und (mal wieder) zerstörungswütige Roboter in 3D (wäre das nicht Stoff für ein Crossover: "Jimi Blue vs. Transformers - The Ochsenknecht and the Machines"?), aber natürlich auch einige absolute Glanzpunkte. Hier der nach selbstverständlich gnadenlos subjektiven Vorlieben entstandenen Bestenliste erster Teil:

10. Super 8 (USA, Regie: J.J. Abrams)

In dieser sehr liebevoll gestalteten, nostalgischen Hommage an "E.T.", "Die Goonies" & Co. dreht eine Gruppe von Teenagern im Jahre 1979 gerade ihren eigenen Super-8-Horrorfilm, als ein Zug entgleist und äußerst mysteriöse Dinge geschehen... Abrams erzählt seinen Science-Fiction-Blockbuster mit viel Witz und Action, dabei kommt die Charakterisierung seiner äußerst charmanten und überzeugenden, jungen Protagonisten jedoch niemals zu kurz. Der beste Spielberg, den Spielberg nie gedreht hat.



9. Winnie Puuh (USA, Regie: Stephen J. Anderson, Don Hall)

Winnie Puuh hat Bärenhunger nach Honig, Esel I-Ah ist der Schweif abhanden gekommen, Christoper Robin scheint von einem Monster entführt worden zu sein und all dies ist wunderbar klassisch animiert und wird von John Cleese erzählt. Der herrlich altmodische Zeichentrickfilm aus dem Hause Disney ist mit einer Gesamtlaufzeit von ziemlich genau einer Stunde kurz und knackig gehaltene, herzerwärmend nostalgische, zärtliche und durchaus witzige Unterhaltung für kleine Kids oder einfach junggebliebene Fans des Bären "von sehr geringem Verstand". Schön!



8. The Guard (Irland, Regie: John Michael McDonagh)

Ein äußerst unkonventioneller handelnder Provinzpolizist von der irischen Westküste muss mit einem FBI-Agenten zusammen arbeiten, um eine Dealerbande hochzunehmen. McDonagh gelingt es in seinem rabenschwarzen Debüt voller skurriler Charaktere und Momente die klassische Struktur der Buddy-Komödie zwar beizubehalten, aber dennoch einen enorm originellen, äußerst witzigen aber auch berührenden Film abzuliefern. Und Brendan Gleeson als weder Drogen, noch Prostituierten abgeneigten Bullen mit dem Herz am rechten Fleck ist einfach sensationell!



7. Midnight in Paris (USA, Regie: Woody Allen)

Woody Allens 42. (!) Film ist eine äußerst amüsante romantische Komödie. Der überraschend überzeugende Owen Wilson als Schriftsteller mit kreativer Blockade gerät im nächtlichen Paris auf magische Art und Weise in die 1920er Jahre und findet dort nicht nur Inspiration bei Hemingway, Fitzgerald und Gertrude Stein, sondern womöglich auch seine Traumfrau... Allen vermengt geschickt und mit Leichtigkeit Klischee, Klamauk und Gefühl zu einem zauberhaften Kinoerlebnis.



6. We Need to Talk About Kevin (Großbritannien/USA, Regie: Lynne Ramsay)

Die großartige Tilda Swinton glänzt in diesem Thriller-Drama als überforderte Mutter, der es nicht gelingt, eine Verbindung zu ihrem Sohn Kevin aufzubauen. Dieser ist jedoch auch ein den Zuschauer überaus verstörender Satansbraten der unangenehmsten Art, der das Verhältnis zu seiner Mutter als Zweikampf zu betrachten scheint und der vor nichts zurückschreckt. Die äußerst packende Kombination von Familiendrama und Horroranklängen ist nicht nur visuell beeindruckend inszeniert und clever in Rückblenden erzählt, sondern auch sensationell gespielt und lässt einen so schnell nicht mehr los.

Montag, 2. Januar 2012

Top 10 Alben 2011: Platz 10-6

Zwanzig-Elf ist durch, ein frisches, neues, spannendes Jahr 2012 steht an. Bevor wir uns jedoch in selbiges stürzen, gilt es noch einen Blick zurück auf die wirklich wichtigen Dinge aus dem Jahr 2011 zu werfen und damit meine ich natürlich weder Eurokrisen noch Wulffsche Kredite, sondern Musik und Film. adlerkuss wird wie bereits vor ungefähr 12 Monaten heute und in den nächsten Tagen die musikalischen und cinastischen Höhepunkte des abgelaufenen Jahres in gnadenlos subjektiven Top-10-Listen vorstellen.

Los geht es mit Platz 10 bis 6 auf der Liste der besten im Jahr 2011 erschienenen Alben:

10. Squarehead: Yeah Nothing (August 2011)

Das Debütalbum des Dubliner Trios Squarehead beglückt mit altmodischem Rock'n'Roll sowie groovendem Surf Pop und zaubert einen strahlend sonnigen Sommer 2011, wie es ihn im echten Leben kaum gab. Das unangebracht bescheiden "Yeah Nothing" betitelte Werk, das hin und wieder auch an die frühen Weezer erinnert, hat mich schon beim ersten Hören schwer begeistert und ist mit seinen ein Lächeln ins Gesicht und ein Zucken ins Tanzbein zaubernden Klängen eindeutig Material zum immer wieder Liebhaben.

Bestes Lied: Midnight Enchilada (Track 1)



9. PJ Harvey: Let England Shake (Februar 2011)

Auf ihrem achten und zweifelsohne besten Album lässt Polly Jean Harvey kein gutes Haar an ihrer Heimat: "England's dancing days are done" heißt es bereits im titelgebenden Eröffnungsstück und auch in den folgenden elf Songs stehen Krieg, Krise, moralischer Verfall und sozialer Niedergang im Zentrum von Harveys eindrucksvoller Lyrik. Diese Klagelieder zur Lage der Nation kommen jedoch nicht als wütender Punk daher, sondern sind wunderbar folkig-bluesig arrangiert, mal zart und mal holprig beschwingt mit Harfe, Gitarre und gar Bläsern instrumentiert und über all dem dominiert Polly Jeans flirrend-elfenhaft kieksenden Stimme, die polarisieren mag, aber gleichzeitig berührt wie kaum eine andere.

Bestes Lied: The Word That Maketh Murder (Track 4)



8. Turn Off Your Television: Turn Off Your Television (Oktober 2011)

Das schwedische Trio von "Turn of Your Television" bietet als Alternative zum Fernsehprogramm ein auf durchgehend hohem Niveau befindliches gleichnamiges Debütalbum voller sanfter, warmherziger, eingängiger Gitarrenmelodien mit Americana-Einschlag. Die Jungs aus Malmö bieten eine überaus stimmige Liedersammlung ohne jeglichen Durchhänger, die die Qualitäten von The Coral, Avett Brothers und Sparklehorse vereint. Und die Tatsache, dass es eines der zehn besten Alben des Jahres auf der Seite der Band zum kostenfreien Download gibt, ist ja fast zu schön um wahr zu sein. Der Fernseher bleibt erstmal aus!

Bestes Lied: The Days We Have Today (Track 5)



7. Elbow: Build A Rocket Boys! (März 2011)

Die Band aus Manchester um den bärtigen Tenor Guy Garvey hat zumindest auf der Insel bereits mit dem letzten Album "The Seldom Seen Kid" den Schritt aus der Indie-Ecke geschafft und "Build A Rocket Boys!" geht nun erfreulicherweise nicht auf Nummer Sicher und bietet einen freundlich-hymnischen Radiohit nach dem anderen, sondern kommt zum Teil durchaus bedächtig, ja gar introvertiert daher. Oft dominiert von Klavier und Garveys großer Stimme erzählen die Songs vom pubertären Abhängen an Straßenecken, dem ersten Zusammenziehen mit der Jugendfreundin und was es sonst noch an mitten aus dem Leben gegriffenen Themen gibt. Der Liebe widmet sich Elbow schließlich dann doch mit dem ganz großen Pathos: "We got open arms for broken hearts" heißt es herzenöffnend im Arcade-Fire-seligen "Open Arms". Wunderbar.

Bestes Lied: Open Arms (Track 9)



6. Beady Eye: Different Gear, Still Speeding (Februar 2011)

Vier Fünftel der letzten Besetzung von Oasis bilden "Beady Eye", deren Sound sicherlich stark in den 1960er Jahren verwurzelt ist, die dabei allerdings immer noch deutlich frischer klingen, als was den ehemaligen Brit-Pop-Giganten um die Gallagher-Brüder in den letzten 8 Jahren noch eingefallen war. Und wenn die Kritik hier reflexartig zweifellos vorhandene Anklänge an Byrds, Kinks und natürlich John Lennon als Einfallslosigkeit und Pastiche abtat, verkannte sie leider die Fülle an eingängigen und gelungenen Melodien auf Beady Eyes Debüt, das selbstbewusst schöne, mit Liam Gallaghers (wieder) kraftvoller Stimme vorgetragene Songs über krampfhafte Innovativität stellt – und warum eigentlich auch nicht? Wir werden von Beady Eye, die hier tatsächlich fast durchgehend den richtigen Gang eingelegt haben, wohl noch so manches hören, wie heißt es in "The Beat Goes On", einem der größten Songs 2011 überhaupt, schließlich so schön: "It's not the end of the world, you know, it's not even the end of the day."

Bestes Lied: The Beat Goes On (Track 12)