Dienstag, 10. Januar 2012

Top 10 Alben 2011: Platz 5-1

Die Welt hielt den Atem an, die Börsen sind wie gelähmt und Herr Wulff hat mir auch schon auf die Mailbox gesprochen: Ist ja gut, hier sind Platz 5 bis 1 der besten Alben des Jahres 2011.

5. Girls: Father, Son, Holy Ghost (September 2011)

Von den ersten Klängen des Beach-Boys-seeligen Openers "Honey Bunny" bis zur sanften, folkigen Ballade "Jamie Marie" am Ende des Albums ist "Father, Son, Holy Ghost" ein fröhlich-melancholisches Indie-Rock-Album ohne Durchhänger und dabei eingängiger und ausgereifter als das mit vielen Brüchen doch eher fordernde erste Werk der "Mädels". Der Höhepunkt bleibt für mich das hier nochmal zum Download bereite "Vomit". "Come into my heart", fordert Sänger Christopher Owens in der hymnischen Coda dieses potenziellen Songs des Jahres wiederholt – zumindest umgekehrt hat "Father, Son, Holy Ghost" absolut einen Platz in meinem Herzen gefunden.

Bester Song: Vomit (Track 6)



4. The Horrors: Skying (Juli 2011)

Hymnisch-sphärische Gitarren- und Synthiewände wecken Erinnerungen an den Klang britischer Bands der 80er Jahre wie Echo & The Bunnymen, hin und wieder klingt es auch so als würden sich New Order an The Cure's "Disintegration" versuchen. Elegantes, intelligentes Songwriting, Faris Badwans angenehm charakteristische Gesangsstimme und satte Produktion machen "Skying" zu einem großen Erlebnis – The Horrors' drittes Album ist hypnotische Euphorie und akustisches Ecstasy .

Bester Song: Endless Blue (Track 4)



3. Ja, Panik: DMD KIU LIDT (April 2011)

Die in Berlin ansässigen Burgenländer von Ja, Panik kann man spätestens seit diesem vierten Album zur gegenwärtig originellsten Band aus dem deutschsprachigen Raum erklären. Andreas Spechtls denglischer Gesang wirken konsequent stoischer und unaufgeregter als in der Vergangenheit, ist doch auch die süße Verlockung der Ausweglosigkeit eines der großen lyrischen Themen des Albums. Musikalisch herrscht Eklektizismus zwischen Folkballade, schmeichelndem Streichersatz und hibbeligen Synthies. Hauptsächlich jedoch waren referenzwütige Intellektualität und Selbstzerrissenheit im Angesicht verkrusteter sozialer Strukturen niemals catchier, charmanter und ohrwurmiger als hier.

Bestes Lied: Barbarie (Track 3)



2. Björk: Biophilia (Oktober 2011)

Bei allen Songs auf Björks stärkstem Album seit vielen, vielen Jahren steht ihre einzigartig berührende Stimme im Mittelpunkt, die teilweise sogar noch zum Chor vervielfacht wird. Die Instrumentierung hierzu ist meist zurückhaltend und immer ungewöhnlich, unter Einsatz eigens erfundener Musikinstrumente (u.a. ein Tesla-Spulen-Synthesizer!) wurden Gitarre und Klavier völlig verbannt. Der nur spärliche Einsatz von Beats oder überhaupt rhythmisierenden Elementen lässt die Songs gar zauberhaft ätherisch schweben – ein wahrhaft überirdischer Genuss, der deutlich ohrenschmeichelnder und weniger experimentell-herausfordernd ist als vieles, was Frau Guðmonsdóttir in ihrem so vielseitigen bisherigen Œuvre zu bieten hatte, ohne dadurch jeder weniger individuell oder faszinierend zu sein.

Bestes Lied: Crystalline (Track 4)



1. Radiohead: The King of Limbs (Februar 2011)

Manchmal befürchte ich, dass mir bei dieser Band die Kritikfähigkeit ein ganz klein wenig abhanden gekommen sein könnte... Aber nein doch, dieses durchgehend faszinierend reduzierte, immer stimmige Album ist ganz einfach brillant. Radioheads "The King of Limbs", das Album des Jahres:

Flirrendes Piano, das sich zum Zweitonloop verkürzt. Dann setzt zunächst ein vertrackter, synkopischer Beat ein, bevor Drummer Phil Selway noch einen weiteren gegenläufigen Rhythmus einbaut und schließlich Thom Yorkes charakteristische Stimme in klagendem Moll die ersten Worte des Albums intoniert: "Open your mouth wide, the universe will sigh..." So widerspenstig elektronisch kalt und doch so "Everything in its right place" wie beim Opener "Bloom" hat man die Band seit dem Album "Kid A" im Jahre 2000 nicht mehr gehört. Auch beim nächsten Song "Mr. Magpie" ordnet sich die akustische Gitarre dem hektischen Beat, dem zunehmend düsteren Rauschen und dem vagen Hintergrundsummen unter, so wirft Yorke in ungewohnt tiefer Stimmlage passenderweise doch auch dem titelgebenden "Herrn Elster" vor: "Now you’ve stolen all the magic / Took my melody".

Doch dass Radiohead die Melodien noch nicht abhanden gekommen sind, beweist – vom elektronisch zuckenden Klangfransenteppich "Feral" abgesehen – schon allein der Rest des Albums, angefangen mit dem durchaus ohrwurmigen Refrain des locker groovenden "Little by Little" und der Vorabsingle "Lotus Flower", die auf großartige Weise einen tanzbaren Beat und eine sphärisch-schwebende Gesangsmelodie kombiniert. Diese Lotosblume, die im Buddhismus ja auch für Erleuchtung steht, scheint auch einen Übergang zu bilden zwischen der elektronischer geprägten ersten Hälfte des Albums und zwei darauffolgenden großen, emotionalen Balladen: Das berührende "Codex" wartet mit Klavier, Bläserensemble und herzzerreißenden Versen wie "Slide your hand / Jump off the end / The water’s clear / And innocent" auf und im etwas an Pink Floyd erinnernden, von einer akustischen Gitarre begleiteten und mit Vogelzwitschern beginnenden "Give Up the Ghost" wiederholt ein geisterhafter Hintergrundchor das Mantra "Don't hurt me / Don't haunt me" während Yorkes zärtliches Falsett lyrisch vage das Ende einer Beziehung besingt. Im durchaus fröhlichen, wie schwebenden, wunderschönen letzten Song "Seperator" schließlich werden Gitarre und warme Keyboardflächen nochmal mit einem im Vordergrund stehenden Schlagzeugrhythmus kombiniert und Yorke intoniert: "It’s like I’ve fallen out of bed from a long and vivid dream / Finally I’m free of all the weight I’ve been carrying". Hach!

Beste Songs: Seperator (Track 8) und Lotus Flower (Track 5)



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen