Donnerstag, 11. Dezember 2014

adlerkuss im Advent: adlerkuss' liebste Weihnachtsmusi (17)

Ho ho ho und willkommen zum abschließenden Teil des diesjährigen adventlichen Weihnachtssampler-Baukastens bei adlerkuss. Mit den heutigen sechs Liedern sind wir dann bei 14 alten und neuen, beschwingten und traurigen, albernen und berührenden und meist glockenspiellastigen Weihnachtssongs um die kommenden Wochen bis zum Frohen Fest musikalisch zu untermalen.



Judy Brown kommt in dem schwungvollen Doo-Wop-Weihnachtssong "Dear Santa" von 1961 ohne Umschweife auf den Punkt, heißt es doch gleich in den ersten Zeilen: "Dear Santa, send me a boy to love". Ob der Weihnachtsmann den Wunsch der liebeshungrigen Judy erfüllen konnte, erfahren im weiteren Verlauf des sehr vergnüglichen Liedes leider nicht.



Als nächstes freue ich mich über den ersten chilenischen Beitrag zu adlerkuss liebster Weihnachtsmusi. "Navidad 2014" von Anibal Bravo aus Conceptión ist wie der Titel uns bereits zu verstehen gibt brandneu und außerdem ein zurückhaltend-festliches Fast-Instrumental, das für den Soundtrackeinsatz in einer weihnachtlichen Tragikomödie wie geschaffen scheint.



Ich bin für gewöhnlich nicht der größte Fan von A-Cappella-Nummern, aber der Weihnachtsgruß "(Have a) Merry Christmas" von The Quotations aus dem Jahr 1952 müsste selbst dem verbittertsten Scrooge ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Have a mememe, have a merry merry Christmas!




Hill & Hale & and their Merry Friends veröffentlichten letztes Jahr eine Weihnachts-EP, die auf sehr clevere Art und Weise Indiepop und Big-Band-Sound kombiniert. Das Highlight des Albums ist der herrliche Retro-Groove des Titelsongs "Christmastime".




Das alljährliche Stöbern durch die Flut von weihnachtlichen Veröffentlichungen ist hin und wieder etwas mühsam, spätestens nach dem 43. akustischen Indiefolk-Gesäusel mit zwei neuen Songs plus uninspirierter Variante von Silent Night. Umso begeisternder ist es dann immer, auf weihnachtsmusikalisches Gold (Myrrhe und Weihrauch) zu stoßen. Mein absolutes Highlight des Jahres ist das soulige "You, Me and a Christmas Tree" von der Kanadierin Elise LeGrow, das die fleißigen und unbedingt empfehlenswerten Weihnachtsliedsammler von Lie In the Sound entdeckt haben und das auch auf dem heiligen Gral der Weihnachtsmusik, nämlich dem hier schon oft erwähnten "A Christmas Gift From Phil Spector" eine gute Figur machen würde. Elise LeGrow gelang hier ein wunderbar romantisches Liebeslied zum Ankuscheln, das die festlichen Notwendigkeiten auf das titelgebende Trio reduziert. In einer gerechten Welt ein künftiger Weihnachtsklassiker!




Selbst wenn der Wham!sche Evergreen dem einen oder anderen Musikfreund schon seit vielen vielen Weihnachtsfesten aus dem rotbemützten Halse hängt: Aus lieb gewordener Tradition führt auch in diesem Jahr bei adlerkuss liebster Weihnachtsmusi kein Weg an George Michaels ewiger Reminiszenz an die Liebschaft der vergangenen Weihnacht vorbei.  Denn auch ganze 30 Jahre nach Erstveröffentlichung bleibt "Last Christmas" mit seiner titelgebenden Zeitlosigkeit, seinem hohen lyrischen Identifikationspotenzial, seinem gnadenlosen Uhrwurmfaktor und seiner rituellen Kultigkeit à la "Dinner For One" der beliebteste moderne Weihnachtssong überhaupt. Vergangenen Freitag ist der Klassiker von Wham! mal wieder in den deutschen Charts eingestiegen und bei Platz 72 wird es nicht bleiben. Die deutschsprachige und sparsam instrumentierte Fassung der Kölner Band Wolke ist ein weihnachtliches Juwel und lässt einen die ganze tiefsinnige Tragik des Songtextes erst wieder gewahr werden.

Montag, 8. Dezember 2014

adlerkuss im Advent: adlerkuss' liebste Weihnachtsmusi (16)

Heute Kinder wird's was geben: Zum Ausklang des 2. Advents folgen hier die nächsten festlichen Songs der diesjährigen Ausgabe von adlerkuss liebster Weihnachtsmusi! Viel Spaß beim Lauschen, laden und lächeln.





Da es in unseren Breiten bisher eh nur Nebel und Regen, aber keinen Schnee gibt, können wir uns ebenso gut an den Strand begeben und Irenes Aufforderung folgen: "Let's spend our Christmas on the beach". Die schwedische Twee-Pop-Band mit dem Frauennamen veröffentlichte zur Weihnacht von 2006 den herrlichen Song "Christmas on the Beach", das ungeheuer glöckchenselig-groovend beginnt und bereits weniger als zwei Minuten später als herzergreifende saisonale Ballade endet.




Im fünften Jahr von adlerkuss' liebster Weihnachtsmusi gibt es konsequenterweise den fünften Song aus Phil Spectors wunderbar schwungvollen Weihnachtsalbum "A Christmas Gift For You", dem vermutlich besten Weihnachtsalbum überhaupt, das sich jeder kaufen sollte, der diese Zeilen liest. Bobb B. Soxx & The Blue Jeans beschreiben die Ankunft des Weihnachtsmanns im wunderbar mitreißend geschmetterten "Here Comes Santa Claus" und covern dabei einen Song, den Weihachtshitkoryphäe Gene Autrey (der in den darauffolgenden beiden Jahren Rudolph und Frosty besingen sollte) bereits 1947 zum ersten Mal veröffentlicht hatte.




Der New Yorker Songwriter Ian McGlynn veröffentlichte im letzten Jahr eine Weihnachts-EP, in deren schönstem Lied,dem verträumten "Our Favourite Christmas Movie" er die herzerwärmende Tradition des rituellen Anschauens der Weihnachtsfilmklassiker in trauter Zweisamkeit zelebriert. Eine wunderbare Abrundung des tollen Songs bietet hier das Video, in dem Ausschnitte aus eben klassischen Filmen und TV-Specials zu sehen sind.




Ebenso wie Irenes Beitrag ist auch Piney Gir's Song "Christmas Time" ein sehr kurzes, aber Unmengen von weihnachtlichem Frohsinn stiftendes Vergnügen. Und falls noch jemand darüber nachdenkt, wie der Baum dieses Jahr geschmückt werden solle, hat Piney Gir einen interessanten bis rätselhaften Vorschlag: "I'll decorate this tree a little bit like me this time".




Indie-Tausendsassa Sufjan Stevens (dessen faszinierendes Gesamtwerk man hier kostenlos hören kann!) hat mit den Sammlungen "Songs for Christmas" von 2006 und dem teilweise sehr abgespaceden "Silver & Gold" 2012 stolze 100 (!) Weihnachtslieder veröffentlicht, da darf es nicht wundern, dass er hier auch bereits zum dritten Mal auftaucht. Im nur knapp zweiminütigen (die kurze Spielzeit zieht sich heute durch wie ein rotes Geschenkband) Herzenerwärmer "Put the Lights on the Tree" erinnert Sufjan uns daran, nicht nur den Baum zu schmücken, sondern auch unsere Omas anzurufen.






Freitag, 5. Dezember 2014

adlerkuss im Advent: adlerkuss' liebste Weihnachtsmusi (15)

Herbei oh ihr Gläubigen! Im bereits fünften Advent in Folge präsentiert adlerkuss selbstverständlich auch in diesem Jahr einen bunten musikalischen Strauß von festlichen Favoriten, passend zur milden Zeit der Großzügigkeit nicht nur zum Anhören, sondern  auch immer gleich zum Herunterladen als mp3, sodass der geneigte und eifrig ladende Leser schon frühzeitig einen weiteren randvoll gepackten Weihnachtssampler sein eigen nennen kann.


Wir beginnen in diesem Jahr mit einer klassischen Aufnahme eines absoluten Klassikers, den man allerdings dennoch so vermutlich noch nicht gehört hat. Der wunderschöne Titel "Snögubben Froste" von Margret Jonsson ist eine schwedischsprachige Adaption von "Frosty the Snowman". Das Lied über den lebendig gewordenen Schneemann war 1950 von Gene Autrey, der im Vorjahr noch ein rotnasiges Rentier besungen hatte,  erstmals veröffentlicht worden. Margret Jonssons Hop-la-la-hop-hop-Version stammt von einer Kompilation von 1958 mit dem schönen Titel "God jul önskar Lasse, Mats, Margret, Gerd och Towa" und diesem herrlichen Cover mit einer düster dreinblickenden Margret:

Various Artists - God jul önskar Lasse, Gerd, Towa, Mats, Margret




1955 besang der amerikanische Sänger und Schauspieler Tony Martin die brasilianische Herangehensweise ans Weihnachtsfest. Anscheinend werden dort Palmen mit weißem Konfetti geschmückt, Mistelzweige an Sombreros getragen und der große Weihnachtshit ist "Jingle Bells Olé". Ungeachtet des Wahrheitsgehalts dieser Beschreibung von Land und Leuten überzeugt "Christmas in Rio" mit seinem mitreißend hysterischen Vortrag und den zum Tanzen oder zumindest zum weihnachtlichen Wippen zwingenden herrlichen lateinamerikanischen Rhythmen.



Der Schnee fällt, der Baum glänzt, die Kastanien sind geröstet - aber hach, die Angebetete fehlt: "All I'm Missing Is You." Diese 2013 erschienene, bittersüße Weihnachtsgeschichte von Nathan Crumrine & Chase Atlantic feat. Sam Sacks kommt im Ukulelesound daher und ist ein herrliches Indiepopschneeflöckchenjuwel wie es im goldenen Buche steht.

Dienstag, 2. Dezember 2014

Adventskalendertipp: Die Winterreise durch Auxburg

It's the time of year again! Leicht verspätet (frei nach Beckenbauer: "ja ist denn heut schon der Zweite?") möchte ich nachdrücklich auf den aufregendsten Adventskalender des Jahres 2014 hinweisen:

bluespot productions, das innovativste und spannendste Theaterensemble weit und breit, inszeniert bei freiem Eintritt den herrlich ergreifend-melancholischen Liederzyklus "Die Winterreise" von Franz Schubert vom 1. bis 24. Dezember an 24 verschiedenen Orten Augsburgs. Zeiten, Orte und Informationen über das Rahmenprogramm finden sich hier.

Der besondere Clou ist jedoch, dass all jene, denen Besuche vor Ort nicht möglich sind, die Stationen der Winterreise auch im Internet verfolgen können. Hier öffnet sich täglich am Abend ein neues Türchen mit dem Lied des Tages. Genau richtig für die kleine Dosis Hochkultur!

Lauschet dem Eröffnungslied der Winterreise, wie es am gestrigen Abend im Gögginger Flüchtlingsheim vorgetragen worden war:



Noch eine kleine Ergänzung in eigener Sache: Einen adlerkussventskalender wird es dieses Jahr nicht geben, der aus dem letzten Jahr macht aber auch immer noch weihnachtlich-warmherziges Vergnügen. Alle Türchen sind von hier aus in der rechten Spalte verlinkt.

Außerdem geht die bereits im fünften Dezember in Folge von führenden Elfen und Engeln empfohlene Rubrik "adlerkuss liebste Weihnachtsmusi" in den kommenden Tagen in die nächste Runde! Fröhliche und besinnliche Weihnachtszeit und verfolgt die Winterreise


Freitag, 28. November 2014

That's entertainment, that's Rock'n'Roll: Anajo-Frontmann Oliver Gottwald ist mit neuem Song zurück!

Das Augsburger Trio Anajo war knapp zehn Jahre lang Indie-Pop-Darling kurz vor dem Sprung ganz nach oben. Bereits das Material aus diversen Demo-Platten verwendende Debütalbum "Nah bei mir" anno 2004 war von einer All-Ohrwurm-no-filler-Qualität, die man nur sehr selten zu hören kriegt und gehört in jede gut sortierte Musiksammlung. Glücklich wer's hat und wer's nicht hat, holt es sich am besten jetzt gleich hier für nen Zehner. Die zweite Platte "Hallo, wer kennt hier eigentlich wen" zementierte das hohe Niveau der reizvollen Kombination aus zackigen Melodien und von skurril-dadaistisch über anrührend bis weltweise reichenden Texten, die dabei immer hochgradig zitierbar waren. Beim dritten Album "Drei" war die Magie dann irgendwie leise verschwunden und wie man offiziell erst in diesem Jahr erfuhr galt das nicht nur für die Beziehung von Musik und Hörer, sondern auch schon für das Verhältnis der Bandmitglieder untereinander.

Fast auf den Tag vier Jahre später ist es nun so weit: Die Tür geht auf und Oliver Gottwald kommt herein, mit einem nennen wir es Comeback in der Hand! Seit heute steht das offizielle Video zu "Freunde fürs Leben", der ersten Solo-Single im Netz. Der Song ist feinster Mitwipp-Gitarrenpop und zumindest die Titelzeile des treibenden Refrains bleibt schon nach dem ersten Hören im Ohr. Textlich führt der Titel bewusst auf eine falsche Fährte, düster und abgründig halten einen diese Freunde fürs Leben hier "umzäunt und umzingelt, fest umklammert". Die Single ist ein viel versprechender Vorbote des am 6. Februar erscheinenden Albums, das auf den schönen Namen "Zurück als Tourist" hören wird. Live gibt es Oliver Gottwald schon vorab in Augsburg, Hamburg, Berlin und München zu hören, Termine und Tickets finden sich hier und mehr über die Entstehung des neuen Projekts gibt es in der aktuellen Ausgabe von a3-kultur zu lesen.

Sonntag, 16. November 2014

Boing Boom Tschak! Tolle Kraftwerk-Doku "Pop Art" in voller Länge sehen

Ein schöner Anlass, diesen scheintoten Blog zu reaktivieren: Gestern Abend wurde bei arte die hochinteressante Kraftwerk-Dokumentation "Pop Art" von 2013 wiederholt, in der die wohl wichtigste, sicher aber visionärste deutsche Band aller Zeiten anhand von zahlreichen Interviews mit Kennern und Insidern und Ausschnitten von sowohl Uraltauftritten als auch der aktuellen, spektakulären 3D-Konzertserie "Der Katalog 1 2 3 4 5 6 7 8" porträtiert wird. Letztere kommt im Januar übrigens für acht Termine nach Berlin, die jedoch allesamt innerhalb nur eines Tages restlos ausverkauft waren.

Wer wie ich die Doku diesmal verpasst hat, kann nicht nur die nächsten sieben Tage auf die Mediathek von arte zurückgreifen, sondern findet die für musikinteressierte Zeitgenossen unbedingt empfehlenswerte Doku dank Youtube auch dauerhaft direkt hier:

Montag, 22. September 2014

Bisher unveröffentlichtes Duett von Queen und Michael Jackson: Jetzt anhören!

Ist das nun doppelte Leichenfledderei oder ein Hörgasmus erster Klasse? Oder etwa ein bisschen was von beidem? Queen veröffentlichen am 10. November (natürlich rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft) die gefühlt 200. Kompilation von Queen-Songs und neben einer Zusammenstellung von weniger offensichtlichen Höhepunkten aus dem fast 30-jährigen Schaffen der Band gibt es auch drei mehr oder weniger neue Songs zu hören: Mercurys Solo-Disco-Hit "Love Kills" in einer balladesken Variante, den bei den Arbeiten zum Album "The Works" liegen gebliebenen Song "Let me In Your Heart Again" und als Big Bang den auf Mercurys erstem Soloalbum erschienenen Stoßseufzer "There Must Be More to Life Than This" in einer Version von Queen und Michael Jackson!

Jackson und Mercury waren 1984 zusammen im Studio, die Zusammenarbeit endete aber bald wieder - angeblich weil Mercury Jacksons zunehmende Marotten (Lamas im Aufnahmestudio etc.) nicht mehr ertragen konnte. "There Must Be More to Life Than This" ist ja bereits in der Mercury-Version ein ganz feines Stück Musik , aber die von William Orbit produzierte Neufassung mit Bandbegleitung von Queen und natürlich vor allem mit dem Gastauftritt von Michael Jackson, der zwei der größten Stimmen der Popmusikgeschichte auf einem Track vereint, legt da doch noch einmal eine Schippe Brillanz nach.

Bisher gibt's das Stück leider nur als Radio-Rip zu hören:

Donnerstag, 21. August 2014

"Almost Like the Blues": Neues vom großen Leonard Cohen

Der einmalige und unvergleichliche Poet und Singer-Songwriter Leonard Cohen veröffentlicht am 23. September, zwei Tage nach seinem sage und schreibe 80. Geburtstag, sein 13. Studioalbum "Popular Problems". Vom furchtbar hässlichen Albumcover, das so aussieht, als ob es ein lustloser Praktikant innerhalb von fünf Minuten in Paint erstellt hätte, sollte man sich bei einem Künstler dieses Ranges nicht vom Kauf abhalten lassen, denn zum einen verspricht die Plattenfirma " a new tone and speed of hope and despair, grief and joy" und zum anderen gibt es vorab bereits den viel versprechenden Song "Almost Like the Blues zu hören. Begleitet von einem groovenden Rhythmus, sehnsuchtsvollem Backgroundgesang sowie sparsam eingesetzten Streicher- und Klavierakzenten raunt uns Leonard Cohens durchdringend sonore Stimme schon in den ersten Zeilen "I saw some people staring / there was murder, there was rape" ins Ohr. "Almost Like the Blues" ist eindringlich düsteres Gänsehautmaterial, das unbedingt Lust auf weiteres neues Material des Altmeisters macht.

Montag, 28. Juli 2014

And now for something completely different: Monty Pythons allerletzte Show im Stream und im TV!

Die verbliebenen Mitglieder der legendären Komikertruppe Monty Python haben, wie der eine oder andere (ebenso wie Mick Jagger auch) mitbekommen haben dürfte, 32 Jahre nachdem sie zuletzt gemeinsam auf der Bühne gestanden hatten, in diesem Monat zehn ausverkaufte Shows in London gespielt. Die Auftritte unter dem herrlich makabren Titel "One Down, Five to Go!" waren die (zumindest vermutlich) letzten gemeinsamen Performances der Herren Cleese, Gilliam, Idle, Jones und Palin und die allerallerletzte Show vom vergangenen Sonntag gibt es bei arte concerts in voller Länge im Stream zu sehen.

Ich alter Zweifler hatte ja gerade angesichts neuerer Unlustigkeiten wie dem Spamalot-Musical (frei nach "Ritter der Kokosnuss") und dem Not-the-Messiah-Oratorium (frei nach "Das Leben des Brian") und auch angesichts des fortgeschrittenen Alters der Herren gewisse Bedenken, die sich aber als nahezu unbegründet erwiesen haben. Zwar gönnt sich Eric Idle (der hier auch Regisseur und sowieso Antreiber des Projekts war) den einen oder anderen unnötigen beziehungsweise unnötig in die Länge gezogenen Musicalmoment, dies wird jedoch durch die sehr feine Sketchauswahl, sowie ungeheure Spielfreude der alten Herren an ihrem letzten Arbeitstag mehr als ausgeglichen. Diese wunderbar skurrilen, aberwitzigen und spätestens zu Ende selbstverständlich auch nostalgischen zweieinviertel Stunden samt totem Papagei, Spam, knusprigem Frosch, Spam, der spanischen Inquisition (mit der ich nicht gleich gerechnet hätte) und Spam sollte wirklich keiner verpasst haben!

Für die Liebhaber der klassischeren Flimmerkiste: Am kommenden Montag läuft eine untertitelte und gekürzte Fassung der Show um 21:30 Uhr bei arte im Fernsehen.

Und wenn die Show hier Lust auf mehr macht: arte concerts bietet hier auch die ersten beiden Staffeln der (wie sie es etwas abstrus nennen) "mythischen Serie" Monty Python's Flying Circus im Stream.


Dojos warme Platten: Neil Young - A Letter Home


Johnny Cash setzte sich mit seinen American Recordings ein gigantisches Denkmal. Auch andere Folkgrößen wie Neil Diamond griffen das erfolgreiche Konzept schnell auf: Bald waren diverse Alben mit schwermütigen Songs aus dem Lebensabend auf dem Markt. Spätestens als sich auch der Country-Clochard Gunter Gabriel an renommiertem Liedmaterial, beispielsweise "Creep" von Radiohead, vergriff, galt das Konzept als begraben. Neil Young hat es nun auf eindrucksvolle Weise wiederbelebt.

Auf "A Letter Home" geht der 69-Jährige einen Schritt weiter als seine Kollegen. Auch bei Young ist das Album von der Auseinandersetzung mit dem Tod geprägt, den scheinbar dazugehörigen Pathos weiß er aber geschickt zu vermeiden. So beginnt der Release mit einem Anruf an seine verstorbene Mutter. Young berichtet ihr von der Wettervorhersage und empfiehlt ihr, wieder mit seinem Vater zu sprechen. Dass dies eher rührend als skurril gerät, liegt auch an Produzent Jack White. Für die Box, die es erlaubt mit den Toten zu sprechen, zeichnet er ebenso verantwortlich wie für den Sound, der ein bisschen wie ein Grammophon hinter einer Holzwand klingt.

Den Tracks nimmt das keineswegs die Intensität. Das Bob Dylan Cover "Girl from the North Country" schält sich wuchtig und anarchisch aus der knisternden Atmosphäre. Mehr Aufruhr hat auch der junge Dylan nicht aus dem Stück herausgeholt. Bei Bert Jensch's "Needle of Death" zeigt sich, dass Youngs Stimme klar genug ist, um sich über eine ganze Wand aus Störgeräuschen zu heben. Dem unter tragischen Umständen verstorbenen Songwriter Tim Hardin lässt Young mit einer verspielten Version von "Reason to Believe" ebenso Würdigung zukommen wie Willie Nelson, dessen "On the Road again" ein bisschen wie aus einem Saloon kurz nach einer Schießerei klingt. Gordon Lightfoots "If you could read my Mind" interpretiert Young schnörkellos. Bruce Springsteen bekommt mit einer so ruppigen wie virtuosen Version von "My Hometown" den Ritterschlag.

Auf "A Letter Home" geht Neil Young zurück zu seinen Ursprüngen. Dass es für ihn damit erledigt ist, müssen wir nicht befürchten. Aus dem Telefonat mit seiner Mutter erfahren wir glücklicherweise dass es noch eine Weile dauert, bis er zu ihr kommt, denn: "I still have a lot of work to do here."


Donnerstag, 5. Juni 2014

Der beste Fußball-WM-Song des Jahres! (WM-Countdown: noch 7 Tage!)

WM-Songs waren mal mehr, mal weniger geliebte Begleiter durch die alle vier Jahre stattfindenden Weltfußballfestspiele. 1990 röhrte Reibeisen Gianna Nannini für die WM in Italien, 1998 besang Ricky Martin (warum auch immer grade der) den Cup of Life in Frankreich, 2006 zählten die Sportfreunde ein paar Jahreszahlen auf und vor vier Jahren waka-wackelte die Kolumbianerin Shakira vor Freude über die WM in Südafrika mit dem Hintern. Zwischen 1974 und 1994 trällerte sich gar die deutsche Nationalelf persönlich mit Unterstützung von Größen wie  Udo Jürgens (2x), Michael Schanze, Peter Alexander (man beachte Loddar im Video bei (0:34)) und den einmaligen, unvergleichlichen Village People durch (Fußball-)Schlager variabler Qualität.

Dieses Jahr jedoch stammt der unsägliche offizielle Song (oder einer von verwirrend vielen sich an Irrelevanz und Larifariness nichts nehmenden offiziellen Songs) von Pitbull und Jennifer Lopez, die beide ja noch nicht als große Fußballexperten (oder auch nur Musikexperten) aufgefallen sind und in Deutschland versucht sich unter anderem die unerträgliche Dschungelkönigin an einem Schalalalied mit Softpornovideo. Kurz, die Lage isch düschter, wie der Bundesjogi sagen würde und das Satiremagazin extra3 bringt es gut auf den Punkt.

Es gibt am dunklen Himmel der musikalischen WM-Misere jedoch einen strahlenden Lichtblick aus dem Mutterland des Fußballs, den ich gerne teilen möchte. Entspannt, selbstironisch, groovy, ein Ohrwurm. Die Engländer können halt einfach alles (außer Europapolitik). In diesem Sinne: welcome to Brazil!



Zu kaufen gibt's diese vier Sternminuten Britishness hier zum schlappen Preis eines britischen Pfunds.

Donnerstag, 29. Mai 2014

Livestream vom Primavera Festival: Heute Arcade Fire, morgen The National!

Arte Concerts, bei dem unser Rundfunkbeitrag bestens aufgehoben ist, überträgt von heute bis Samstag das Geschehen auf zwei der Bühnen beim Primavera Sound in Barcelona .

Das Gesamtprogramm findet ihr auf der arte-Seite der jeweiligen Stage, meine Highlights sind natürlich die atemberaubenden Arcade Fire heute abend um 0.30 Uhr und die Gänsehautgaranten von The National morgen abend um 0.20 Uhr. Was Katalanen eben so für abends halten.

Zu sehen gibt es diese und viele andere Konzerte nicht nur bei arte Concerts, sondern auch direkt hier:


Samstag, 10. Mai 2014

Eurovision Song Contest 2014: Trinkspiel und Wertungstabelle für die Sofajury

Heute Abend ist es wieder so weit, in Kopenhagen findet der 59. Eurovision Song Contest  (früher im deutschen Sprachraum oftmals frankophiler als Grand Prix Eurovision de la Chanson bekannt) statt – eines der größten Showspektakel der Welt, das alljährlich höchst interessante Einblicke in die Befindlichkeiten und Geschmäcker unseres vielfältigen Kontinents bietet. In diesem Jahr gibt es neben russischen Zwillingen, griechischem Hip Hop und einer bärtigen Österreicherin mit dem Newcomer-Trio Elaiza auch einen ungewohnt guten deutschen Beitrag zu bestaunen.

Auch dieses Jahr bietet adlerkuss natürlich wieder über Mediafire zum direkten Download ein feuchtfröhliches Trinkspiel fürs heimische Sofa und außerdem eine Wertungstabelle für alle fleißigen Wohnzimmerjurys. Viel Spaß!

Zur Einstimmung hier noch der wohl schönste Moment des zweiten Halbfinals vom vergangenen Donnerstag: Eurovision-Fans von sehr jung bis ziemlich alt aus ganz Europa tanzen uns etwas vor und versprühen dabei so enorm viel Lebensfreude, dass es einem ganz warm ums Herz wird.



Und für die Wartezeit bis es endlich losgeht eignet sich natürlich die urkomische Eurosong-Episode der irischen Sitcom Father Ted, außerdem könnt ihr beim offiziellen Eurovision-Matchmaker höchst wissenschaftlich fundiert herausfinden, wer von den diesjährigen Teilnehmern am besten zu euch passt.

Dienstag, 6. Mai 2014

Eurovision Song Contest 2014: Tippzettel für die Semifinals feat. Die Top 5 der besten bereits im Semifinale gescheiterten ESC-Songs

Endlich ist es wieder soweit, die Eurovisionwoche ist angebrochen, ein Fanal für den europäischen Gedanken, für Völkerverständigung in dieser schweren Zeit und für sowohl begeisterndes als auch erschütternd katastrophales Liedgut. Heute Abend steigt das erste Halbfinale, das im TV beim Hitsender Eins Plus übertragen wird und von den Fernsehlosen hier live im Internet verfolgt werden kann. Natürlich bin ich Nerd genug um auch für das Halbfinale Tippzettel vorzubereiten, die die fellow nerds hier (1. Halbfinale) und hier (2. Halbfinale) herunterladen können. Das Tippspiel fürs FInale und das immer sehr beliebte Trinkspiel folgen natürlich auch noch rechtzeitig vorm Finale.

Anlässlich des Semifinals hier noch die Perlen im Saustall, die Nadeln im Misthaufen, die Weizenkörner in einer Kammer voller Spreu oder einfach:

Die Top 5 der besten bereits im Semifinale gescheiterten ESC-Songs!

5. Sieneke – Ik ben verliefd (Sha-la-lie)(Niederlande 2010)

Ein Song, der polarisiert (und das schon allein innerhalb meines Haushaltes). Unerträglich einfältiger Schlagerstuss oder charmant-unwiderstehlicher Ohrwurm? Natürlich letzteres. Shalalie und Shalala.




4. Paolo Meneguzzi - Era stupendo (Schweiz 2008)

Stupendo, nämlich ziemlich schön ist dieser Midtemposchunkler, der als Eros-Schnulz langsam beginnt (wie die Schweizer eben so sind), sich dann aber in Coldplaysche Ohrenschmeicheldimensionen aufschwingt.


2008 Switzerland - Paolo Meneguzzi (Videoclip) von Galiza


3. Anonymous – Salvem el món (Andorra 2007)

Andorras späte Antwort auf Sum 41 und Blink 182 stieß mit seinem mitreißenden Funpunkpopsong auf unberechtigtes Unverständnis in Europa. Vermutlich hat einfach die beliebige Zahlenkombination am Ende des Bandnamens gefehlt.




2. Miodio – Complice (San Marino 2008)

San Marino setzte bei seiner ersten Teilnahme 2008 auf düsteren mit elektronischen Einsprengseln versehenen Alternative Rock. Das Ergebnis war ein durchaus ansprechender Genre-Song, der jedoch nur den allerletzte Platz im Semifinale erreichte.




1. Finnland: Pernilla – När Jag Blundar (2012)

Der wunderschöne Song im Walzertakt der Finnlandschwedin Pernilla Karlsson, ist ebenso melancholisch und berührend wie eingängig und nicht nur der beste bereits im Semifinale gescheiterten ESC-Song, sondern sicher einer der tollsten sagen wir mal 15 Songs der Geschichte des Wettbewerbes überhaupt.











Samstag, 29. März 2014

Alles Gute! adlerkusst gratuliert Terence Hill zum 75. Geburtstag!

Der am 29. März 1939 in Venedig als Mario Girotti geborene Haudraufdarsteller mit der Spezialität Backpfeife spielte Anfang der 60er Jahre zunächst in einigen Karl-May- und Monumentalschinken, bevor er ins Spaghettiwesternfach wechselte. Seine wahre Berufung fand der Frauenschwarm mit den stahlblauen Augen Hill dann in zahlreichen gemeinsamen Filmen mit dem gutmütigen Riesen Bud Spencer. Als schlagkräftige italienische Antwort auf Stan Laurel und Oliver Hardy prügelte und blödelte sich das Duo zur Begeisterung des Publikums durch die Siebziger und die Achtziger Jahre und ganz kinderfreundlich blieb die Gewalt stets auf Tom-&-Jerry-Niveau sodas nie wirklich jemand verletzt wurde, auch wenn es ordentlich zur Sache ging, Dies mag auch einer der Gründe sein, warum Terence Hill in den so beliebten "Meine Schulfreunde"-Büchlein in meiner Jugend neben Michael J. Fox der (auch von mir) wohl meistgenannte Name bei der Kategorie Lieblingsschauspieler gewesen ist.

Bei YouTube gibt es übrigens zahlreiche Filme von Hill in voller Länge zu sehen, meine unbedingten Tipps sind "Mein Name ist Nobody" mit dem großen Henry Fonda, die sehr alberne Bond-Parodie "Zwei bärenstarke Typen" und gleich hier eingebunden "Die rechte und die linke Hand des Teufels", die beste Prügel-Spaghetti-Western-Komödie aller Zeiten überhaupt, die ich als Kind nicht nur viele Male gesehen, sondern auch mit Freunden nachgespielt habe – wenn ich Glück hatte durfte ich sogar Terence Hill sein.




Freitag, 21. März 2014

Affengeil: Jan Böhmermann singt uns mit illustren Gästen eine Hymne auf die 90er.

So und nicht anders sollte kann man seinen Kindern die eigene Sozialisation im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrtausends näherbringen: Der wenigstens hin und wieder hervorragende Jan Böhmermann hat sich einige illustre Gäste eingeladen und stellt zur Melodie von "Lemon Tree" augenzwinkernd die 90er Jahre vor. Das Video ist toll gemacht und in der Wirkung nostalgieseeliger als der alte Zyniker Böhmermann das wahrscheinlich geplant hatte. Und "Lemon Tree" hat schon echt eine großartige Melodie....


Sonntag, 9. März 2014

Gone, but not forgotten: Charles Bukowski starb heute vor 20 Jahren

Der als Heinrich Karl Bukowski 1920 in Andernach in Rheinland-Pfalz geborene Dichter und Schriftsteller begeisterte mit seiner direkten, klaren, oft sarkastischen und abgründigen Lyrik und Prosa über die dunklen und schmutzigen Seiten des amerikanischen Traums – Alkohol, Probleme mit Frauen und die Frustration, die ein Brötchenjob so mitbringt.  Alltagsgeschichten eben. In Bukowskis großartigen, nahezu ausschließlich autobiografisch geprägten Romanen, allen voran den unbedingt empfehlenswerten "Faktotum" und "Das Schlimmste kommt noch" leben und leiden wir als Leser mit Protagonist Henry Chinaski, dem Alter Ego des Autors. 1978 kam Bukowski für eine legendäre Lesung nach Hamburg, die tolle Doku darüber gibt es hier . Zu seinem 10. Todestag entstand mit "Bukowski – Born Into This" 2004 ein fantastisches Porträt, das wohl zu den gelungensten Literaturdokumentationen überhaupt gehört und das es gleich hier zu sehen gibt:


Freitag, 7. März 2014

Song des Tages: Thees Uhlmann – Am 7. März

Mehr Song des Tages geht nicht: Der beste Song auf Tomte-Frontmann Thees Uhlmanns passend betiteltem zweiten Album "# 2" ist eine clevere Tour-de-Force durch die Kulturgeschichte des 7. März, an dem, wie wir im Text erfahren, nicht nur Uhlmanns Mutter, sondern unter anderem auch Rudi Dutschke und Bret Easton Ellis auf die Welt kamen, Marc Aurel römischer Kaiser wurde und an dem die Sendung mit der Maus zum ersten Mal im Fernsehen lief. Thees Uhlmann gelingt es lyrisch sehr elegant, Öffentliches und Privates zu verzahnen, wie folgende feine Zeilen belegen: "Das Telefon hat Graham Bell heute patentiert / Ich sollte mich mal wieder melden, es ist einiges passiert".

Ebenso brillant wie der musikalisch an Springsteen gemahnende Song an sich ist auch das dazugehörige Musikvideo, in dem Thees Uhlmann wie einst Forrest Gump in Bilder der Zeitgeschichte montiert ist. Herrlich.

Ich wünsche allerseits einen schönen und erfüllten Tag, denn wie singt der Thees so schön: "Das alles und noch viel mehr, am siebten März!"



Mittwoch, 26. Februar 2014

Neuer Song von Coldplay: Video und Download!

Eine der größten (ehemals Indie-)Pop-Bands der Gegenwart meldet sich zurück: Coldplay werden im Laufe des Jahres ihr sechstes Studioalbum veröffentlichen. Jetzt (im Sinne von seit 0 Uhr mongolischer Zeit gestern –  wann auch sonst?) gibt es den ersten Song daraus zu hören und den vier Herren gelingt es vorzüglich, die Erwartungshaltung an neue Coldplay-Klänge zu unterlaufen: "Midnight" ist keine überproduzierte langweilige Powerpophymne (wie wir sie auf dem letzten Album "My Axolotl" (oder so ähnlich) ja wieder und wieder zu hören bekommen mussten, sondern übertrifft mit seinen sehr zurückgenommenen, elektronischen Ambientklängen und Chris Martins verfremdeter Stimme selbst noch die experimentellsten Klänge von den Coldplay-Klassikern  "Viva la Vida (Death And All His Friends)" oder "X&Y". "Midnight" klingt wie eine  beeindruckende Koproduktion von Brian Eno, Imogen Heap, Bon Iver und Fever Ray und beweist, dass Coldplay womöglich doch noch eine spannende Zukunft jenseits der Antenne Bayern Hörercharts haben könnten. Das enorm unspannende Video drehte eine Freundin von Chris Martins Gattin Gwyneth. Mei, wenn man jemand eine Freude machen kann.

Hier der Download: Coldplay – "Midnight"


Dienstag, 18. Februar 2014

Dojos' warme Platten: Ja, Panik - Libertatia

"Ich wünsch mich dahin zurück wo's nach vorne geht / Ich hab auf Back to the Future die Uhr gedreht." Mit diesen Zeilen beginnt "Libertatia", das fünfte Album von Ja, Panik. Mehr noch als an der Zeit, drehen die in Berlin lebenden Österreicher darin an den Synthies. War der Vorgänger "DMD KIU LIDT" noch opulent akustisch inszeniert, treibt "Libertatia" ein homogener Minimalismus. Oder: Die Platte ist wie eine gefüllte Tanzfläche, in deren Mitte ein Eurodance-Nerd so versunken abgeht, dass die Punks um ihn herum für einen Moment das Pogen vergessen. Das ist für beide kein schlechter Deal.

In "Dance the ECB" ergibt sich so ein heiter vergifteter Groove, der sich an Fehlfarben und DAF heranschmeißt und "Tanz den Mussolini" auch textlich ein würdiges Gegengewicht setzt: "Dance the ECB / Swing die Staatsfinanzen / Sing ihnen ihre Melodien / Zwing sie zum Tanzen."

Bezwingend bleibt dabei auch das Album: Auf "Au Revoir" wird die sterile Orchestrierung von den Lyrics wachgerüttelt. Nach wie vor klingt Andreas Spechtl wie ein Chorknabe der Dekadenz, doch inzwischen hat er auch die Wehmut verinnerlicht: "Ich weiß hier wird morgen alles beim alten sein / Nur ich bin MIA, Gone with the Wind / Und niemand wird merken dass ich verschwunden bin."

Zum Glück sehr präsent gibt sich der Sänger aber schon im nächsten Track: "Post Shaky Time Sadness". Im Midtempo der spielfreudigen Ballade vertieft Spechtl seine Innenschau: "Erinner dich ans letzte Jahr / Und das wir unterm Strich gesehen / Alle viel zu müde waren." Dass der Song trotz dieser Haltung mitreißt, liegt auch daran, dass der Sänger mit Fragen wie "Andy, do you wanna be?" nicht das Pop-Appeal der Melodie sprengt.

Wie in allen Vorgängeralben von Ja, Panik finden sich auch auf "Libertatia" zahlreiche Remineszenzen an die Subkultur. So bekommt ein klassischer Punkschlachtruf auf "ACAB" mit "All Cats are Beautiful" ein zuckriges und zärtliches Ebenbild. Im falcoesken "Chain Gang" erklimmt Spechtl, vorbei an "Junge Römer", seine eigene große androgyne Geste: "I'm one of the He-She-It's / Between Thunder and Blitz / I'm one of the In-between / Girls and Boys."

Trotz einiger Ausflüge in die Grooviness, wie auch in "Radio Libertatia" bleibt das Album das bisher ruhigste der burgenländischen Band, die inzwischen nur noch aus drei Mitgliedern besteht. Vor allem in "Eigentlich wissen es Alle" gibt Spechtl einen ungekünstelten und intimen Einblick in diese und andere Veränderungen: "Nie wieder so jung trinken / Nie wieder solche Galgenvögel sein / An den Orten die sterben wie Menschen / Auch wenn sie fortzuleben scheinen."

"Libertatia", das auf eine utopische Insel der Anarchie anspielt, klingt aber trotz der dominierenden Wehmut mit dem Track "Antananarivo" versöhnlich aus: "Es kann uns nichts passieren / Abends sind wir alle quitt / In einer anderen Stadt / Für ein anders Leben / Werden wir uns wieder begegnen." heißt es da, und das klingt fast so als dürfte man Ja, Panik bald wieder dabei zuhören, wie sie die Uhren auf Back to the Future drehen.

Samstag, 8. Februar 2014

The National live in Sydney: Konzert in voller Länge anschauen!

Die majestätischen Meister der hymnischen Melancholie von The National haben am heutigen Abend (das Wunder der Zeitverschiebung macht es möglich) vor der herrlichen Kulisse des Opernhauses in Sydney ein Opn-Air-Konzert gespielt. Und da die Australier bekanntermaßen ein sehr entspanntes und großzügiges Völkchen sind, wurde der komplette Auftritt mit einer Spielzeit von über zwei Stunden nicht nur kostenlos per Livestream im Internet übertragen, sondern steht auch längerfristig zum Genießen zur Verfügung.

Und das lohnt sich, denn The National sind eine hervorragende Liveband, die mit druckvollem Sound, hymnischen Melodien und Matt Berningers hypnotischer Stimme begeistert. Auf der Setlist sind naturgemäß sehr viele Songs des feinen aktuellen Albums "Trouble Will Find Me" (Platz 4 in adlerkuss' Jahrescharts), es werden aber auch zahlreiche Klassiker von "High Violet" und "Boxer" ausgepackt. Pretty spiffy, sagt man Down Under wenn etwas toll ist. Man zünde ein Kerzchen an, lehne sich mit einem Glas oder einer Flasche Weißwein zurück, betätige den Play-Button und denke sich: "So happy I was invited."



Freitag, 7. Februar 2014

Olympia-Eröffnungsfeier 2014: Das Trinkspiel

In wenigen Stunden werden die Olympischen Winterspiele 2014, das große Prestigeobjekt von Zar Präsident Wladimir Putin, dem lupenreinen Demokraten, im Badeort Sotschi am Schwarzen Meer eröffnet. Bereits im Vorfeld hat sich Russland ja gute Chancen auf Edelmetall in den Disziplinen Korruption und Menschenrechtsverletzung gesichert.

Wenn man sich das ganze Spektakel nicht entgehen lassen möchte, obwohl einen das schlechte Gewissen des toleranten und moralischen Erdenbürgers durchaus plagt, kann Alkohol sicher dabei helfen, diesen Zwiespalt zu überwinden. Zu diesem Zwecke gibt es hier bei uns das große adlerkuss-Olympia-Eröffnungsfeier-Trinkspiel zum herunterladen. Und bitte keine Verunsicherung, ob man sich bereits ab 17 Uhr mit Beginn der Eröffnungsfeier betrinken darf – Saufen am hellichten Tag fällt hier unter Offenheit gegenüber der Kultur des Gastgeberlandes.

Außerdem wichtig:

Donnerstag, 6. Februar 2014

The Notwist @ „Divan du Monde“ in Paris: Konzert in voller Länge anschauen!

Das neue und heißersehnte Studioalbum der deutschen Indielectro-Band The Notwist erscheint am 24. Februar und wird "Close to the Glass" heißen. Um schon einmal ein paar neue Songs vorzustellen, spielte die Band letzte Woche in intimer Atmosphäre im Pariser Club "Divan du Monde" ein sehr feines Konzert, das arte live im Internet übertragen hatte und das es gleich hier unten auch noch drei Monate lang zu sehen geben wird.

Falls die Live-Inkarnation eines Liedes Rückschlüsse auf den Albumsound zulässt, kann "Close to the Glass" mit ungewöhnlichen Rhythmen, wildem Elektrogefrickel und großen, wie aus dem Ärmel geschüttelt wirkenden Melodien zu einem der spannendsten und besten Alben dieses Jahres werden. Aber auch über das neue Material hinaus sind Konzerte von The Notwist ein außergewöhnliches Erlebnis im Spannungsfeld von Pop, Elektro und Jazz, denn immer wieder dienen die eigentlichen Songs nur als Basis für oft mehrminütige, hochvirtuose und oft atemberaubende Klangcollagen.

Highlights und damit Anspieltipps des Konzertes (das man sich aber unbedingt doch lieber im Halbdunkeln bei einem Rotwein in voller Länge zu Gemüte führen sollte) sind für mich der in seiner rhythmischen Strenge an Portisheads "Third" erinnernde neue Song "Into Another Tune" (ab 22:30min) sowie bereits in der Zugabe die herzergreifende Version des Klassikers "Consequence" (ab 1:22:03h) vom Album "Neon Golden", das sowieso in keinem gut sortierten Musiklieberhaushalt fehlen darf. Viel Vergnügen mit The Notwist live!



Vorbestellen lässt sich "Close to the Glass"  als CD und Langspielplatte, unbedingt empfehlenswerte Konzerttermine gibt es ebenfalls.


Donnerstag, 30. Januar 2014

Top 10 Alben 2013: Platz 5-1

Nun doch schon ein ganzes Weilchen nach Platz 10-6 folgt hier nun endlich die musikalische Crème de la Crème des Vorjahres – Platz 5 bis 1 der besten Alben des Jahres 2013.

5. Beady Eye - BE (Juni 2013)

Beim zweiten Album der britischen Band Beady Eye, saß Dave Sitek an den Soundreglern, seines Zeichens Mitglied der Indie-Psych-Rocker von TV On The Radio und Produzent von unter anderem den Yeah Yeah Yeahs. Und das ist gut so: Siteks Einfluss auf die Klanglandschaften auf BE  sorgt für eine sehr interessante, zeitgemäße und erfrischende Note zum traditionell ja eher in den 1960ern hängengebliebenen Songwriting der Band. Außerdem klang Liam Gallaghers Stimme seit "Some Might Say" anno 1995 nie mehr so toll wie auf diesem Album und das sowohl in den rotzigen, wie in den zarten Passagen.

Bestes Lied: Start Anew (Track 11)



4.  The National – Trouble Will Find Me (Mai 2013)

Mit der majästetischen Eleganz des Vorgängeralbums "High Violet" toppten The National 2010 so manche Bestenliste (auch die bei adlerkuss) und "Trouble Will Find Me" stellt zwar nicht eine Weiterentwicklung, jedoch eine Verfeinerung des typischen Sounds der Band mit flirrenden Gitarren, cleveren Rhythmen, feinen Arrangements und Matt Berningers berührender Baritonstimme. Wenn man das so sagen möchte: Stagnation auf höchstem Niveau. 

Bestes Lied: Demons (Track 2)



 
3. Foxygen – We Are the 21st Century Ambassadors of Peace & Magic (Januar 2013)

 Das kalifornische Duo Foxygen liefert auf seinem herrlich selbstvewusst betitelten Album eine trippig-psychedelische Hommage an die Musik der späten Sechziger Jahre. Bei "No Destruction" zwinkert Lou Reed Bob Dylan zu, "Oh Yeah" würde Ziggy Stardust den gleichnamigen Song kommentieren und "On Blue Mountains" kann man vielleicht sogar bis zur Diamanten-Lucy in den Himmel sehen. Trotz des Retrosounds ist das Album dank augenzwinkernder Texte und großartiger Popmelodien stets originell und ein großes Vergnügen.

Bestes Lied: San Francisco (Track 4)




2. Arcade Fire: Reflektor (Oktober 2013)

Meine eigene drei Jahre zurückliegende Einschätzung von Arcade Fires vorhergehendem Album "The Suburbs" gilt leicht adaptiert auch für das neue Meisterwerk "Reflektor": Das heiß ersehnte vierte Album der kanadischen Indiegötter konnte die wahnwitzig hohen Erwartungen tatsächlich erfüllen. Auf dem trotz 75 Minuten Spieldauer nie langweiligen, spielerischen Doppelalbum wird der bekannte dichte Rocksound der Band durch elektronische Elemente und haitianische Rhythmen zu einem atemberaubenden Resultat aufgemischt, das zum Staunen, Tanzen und ob der Grandeur ehrfurchtsvollen Tränenverdrücken einlädt.

Bestes Lied: Awful Sound (Oh Eurydice) (Track 9)



(Die stimmige Videountermalung ist übrigens ein Ausschnitt aus dem wunderbaren und sehr sehenswerten Film "Orfeo Negro" aus dem Jahr 1959, den man sich hier in voller Länge zu Gemüte führen kann.)


1. Nick Cave  The Bad Seeds: Push The Sky Away (Februar 2013)

Das beste Album des Jahres 2013 ist das 15. (!) Studioalbum von Nick Cave & The Bad Seeds. Nachdem Cave mit dem Nebenprojekt Grinderman und dem letzten Bad-Seeds-Album "Dig, Lazarus, Dig" ordentlich den Schweinerock zelebriert hatte, herrscht hier nun aussschließlich eine reduzierte, ja karge aber umso intensivere Klanglandschaft vor, die von Multiinstrumentalist Warren Ellis gezaubert wird. Ein leises Schwirren der Streicher hier, ein sanft tupfendes Piano da, manchmal dürfen auch Gitarre, Bass und Schlagzeug flirrend untermalen, oftmals erfolgt ist die instrumentale Begleitung geloopt. Ganz im Mittelpunkt steht hier also die tiefe, getragene, immer bedeutungsschwere und berührende Stimme von Nick Cave, der hier im Vortrag und auch von der lyrischen Qualität der Texte noch mehr als je zuvor an Leonard Cohen erinnert. Obwohl  Nick Cave & The Bad Seeds hier die Albumform wie aus einem Guss zelebrieren, inklusive textlicher Verweise zwischen den Songs, können doch einige Stücke noch hervorgehoben werden: Neben der düsteren, bedrohlichen Ballade "We No Who U R" mit den sanft und behutsam vorgetragenen und darob umso unheimlicheren Zeilen ""We know who you are and we know where you live, and we know there's no need to forgive" stechen auch das sich zu einem mitreißenden Finale steigernde "Jubilee Street" und vor allem der von pulsierenden Ambientklängen getragene Titelsong hervor, dessen zentrale Zeilen den Geist dieses dunklen, abgründigen und wunderschönen Albums perfekt wiedergeben:

And some people say it’s just rock’n roll
Oh, but it gets you right down to your soul
You’ve got to just keep on pushing
Keep on pushing – push the sky away.

Beste Lieder: We No Who U R (Track 1) und Push The Sky Away (Track 9)








Sonntag, 19. Januar 2014

Top 10 Alben 2013: Platz 10-6

Nachdem mit dem besten Liedern der Rückblick auf die Highlights der kurzen Form abgehandelt ist, folgen nun die besten Musikalben des Jahres 2013, denn trotz iTunes, Spotidingsda und Co. ist die Liedersammlung eines Künstlers in Albumform nach wie vor prächtig lebendig.

10. Moby: Innocents (Oktober 2013)

Der Ex-Punk, Ex-Raver und Immer-noch-Ambient-Electro-Klangteppichzauberer Moby überraschte im Herbst mit seinem elften Studioalbum, das sein bestes seit "Play" im letzten Jahrtausend (1999) geworden ist. Anstatt wie so oft auf alte Samples zurückzugreifen, lädt Moby diesmal illustre Gaststars wie Skylar Grey oder Wayne Coyne von den Flaming Lips als Gastsänger ein, um seine Elektro-Gospel-Stücke zu veredeln. Neben der schrammelnd euphorischen Gospelhymne "The Perfect Life" stechen besonders der bissige Trip-Hop-Soul von "Don't Love Me" und das von Moby selbst gesungene, episch melancholische "The Dogs" hervor.

Bestes Lied: The Perfect Life (Track 5)




9. Daft Punk: Random Access Memories

Der absolute Überhit, auf den sich vom Indierocker über den R'nB-Clubbesucher bis zum gemeinen Antenne-Bayern-Hörer 2013 irgendwie alle einigen konnten, war wohl Daft Punks "Get Lucky", in dem es eigentlich ja auch nur darum geht, dass man so lange in einem Club rumzuhängen plant, bis sich noch jemand zum Abschleppen finden lässt. Erfreulicherweise bietet "Random Access Memories" über die Krachersingle hinaus noch diverse Schmankerl, allen voran das ziemlich abgedrehte Space-Disco-Mini-Musical "Touch" und die Giorgio-Moroder-Hommage/Kollaboration "Giorgio by Moroder". Für eher song- als soundorientierte Musikhörer wohl neben "Discovery" das beste Album der französischen Roboter überhaupt.

Bestes Lied: Touch (Track 7)




8. Atoms For Peace: AMOK (Februar 2013)

Thom Yorke, der Sänger von Radiohead, hatte vor einigen Jahren eine Band zusammengestellt, um sein Soloalbum live aufführen zu können – dabei sind so illustre Namen wie Red-Hot-Chili-Peppers-Bassist Flea oder Radioheadproduzent Nigel Godrich mit von der Partie. Aufgenommen und produziert in den letzten drei Jahren, bietet Atom For Peaces Debütalbum AMOK ein abwechslungsreiches, enorm rhythmisiertes, vielschichtiges, mitunter tanzbares Klangerlebnis, das gleichzeitig organisch und kühl daherkommt oder wie Nigel Godrich es ganz richtig ausdrückt: "a record where you weren't quite sure where the human starts and the machine ends."

Bestes Lied: Ingenue (Track 3)




7. Naked Lunch: All Is Fever (Februar 2013)

"Keep it hardcore, keep it real", gibt Oliver Welter, der Sänger der österreichischen Band Naked Lunch gleich in den ersten Zeilen des ersten Songs programmatisch die Stoßrichtung vor. Und tatsächlich erschaffen die Kärntner Herren um Bassist und Produzent Herwig Mastermik ein fieberhaft hymnisches Album voller majästetisch großer Gesten, Chöre und Streicherarrangements, ohne jedoch je pathetisch oder gar kitschig zu werden, was oft auch der sanften, ja brüchigen Stimme Welters zu verdanken ist. Das ganze erinnert mal an Blur, an die Beach Boys oder an Pink Floyd, bleibt jedoch immer originell und berührend.

Bestes Lied: The Sun (Track 2)




6. Franz Ferdinand: Right Thoughts, Right Words, Right Action

Vier Jahre nach dem mit starken Electroeinschlag versehenen, eher enttäuschenden "Tonight" sind Franz Ferdinand wieder da und haben die Synthesizer und elektronischen Beats weitestgehend zurück gelassen. Und das Resultat ist hervorragend: Die Qualitäten des schottischen Quartetts, nämlich sexy zackige Riffs, eingängige Melodien und clevere bis absurde Texte, strahlen so hell wie seit dem legendären Debüt 2004 nicht mehr. Natürlich wird nicht ganz die All-killer-no-filler-Brillanz jenes Albums erreicht, Tracks wie das an die frühen Killers erinnernde "Stand On The Horizon", der Indiediscokracher "Bullet" oder das fiebrige "Evil Eye" sind aber durchaus superfantastisch. Darauf einen Schampus mit Lachsfisch.

Bestes Lied: Bullet (Track 6)







Samstag, 18. Januar 2014

Top 10 Lieder 2013: Platz 5-1

Kommen wir nun zu adlerkuss' Glanzlichtern, den Dauerrotationskandidaten, ja gar den absoluten Gehörgangsschmeichlern aus dem Vorjahr. Hier sind die besten 5 Songs 2013 (die nicht auf einem der 10 besten Alben 2013 erschienen sind)!

5. Paul McCartney: New

Der Titelsong aus Paul McCartneys 47. postpilzkopfschem Album ist ein fröhlich groovend harmonieseeliger Track, der von Produktionstausendsassa Mark Ronson schick arrangiert wurde und dem Cembalo seltene Prominenz in der Popmusik verschafft. Klingt wie ein gutes Stück von Belle & Sebastian oder, naja, den Beatles. Und was bitte schön will man mehr?




4. David Bowie: Where Are We Now?

Der nächste Senior in dieser Liste veröffentlichte am 8. Januar 2013, seinem 66. Geburtstag, mit "Where Are We Now?" die erste Single aus seinem ersten Album nach 10 Jahren Pause. Nostalgisch reminisziert Bowie in der getragenen Ballade seine Zeit in Berlin in den 70ern zwischen Potsdamer Platz, Nürnberger Straße und Börsenbrücke, verhandelt aber nebenbei auch noch seine eigene Sterblichkeit. "Where Are Now?" ist ein fragiles und sehr berührendes Stück Musik und spätestens das majestätisch marschierende Schlagzeug und die beschwörenden letzten Zeilen machen Gänsehaut: "As long as there's fire/ As long as there's me / As long as there's you."


David Bowie -- Where Are We Now? - MyVideo


3.  Robbie Williams: Swings Both Ways

Über Robbie Williams gleichnamiges zweites Swing-Album wurde hier auf adlerkuss ja ausführlicher gesprochen. Der Titelsong, ein herrlich schmissiges Duett im Bigband-Sound mit dem wunderbaren Rufus Wainwright brilliert neben mitreißender Ohrwurmhaftigkeit des Refrains vor allem auch mit dem augenzwinkernd kokettierenden Text. Rufus und Robbie croonen sich hörbar gut gelaunt durch Zeilen wie "happy people don't have sex", "let's get high with some fruit cake" und natürlich "face it Robbie, you're a little bit gay." Ein herrliches Vergnügen.




2. Placebo: Too Many Friends

Ein nicht eben positives Verhältnis zu sozialen Netzwerken offenbaren Placebo in ihrer sehr eingängigen, im positivsten Sinne des Wortes radiotauglichen ersten Single aus ihrem siebten Album "Loud Like Love". Im Refrain des hymnischen Indierocksongs mit fein ansteigender Dynamik erklärt Sänger Brian Molko uns die Facebook-Krux: "I’ve got too many friends / Too many people / That I’ll never meet / That I’ll never be there for". Nicht verpassen sollte man hier auch das Musikvideo, vermutlich der beste Clip des Jahres überhaupt!


Placebo -- Too Many Friends - MyVideo


1.  Emeli Sandé & Rick Smith: Here It Comes

Der Song des Jahres 2013 stammt von Emeli Sandé und und ist eine Kollaboration mit Rick Smith, einer Hälfte des Elektro-Duos Underworld ("shouting lager lager lager") für den Soundtrack zu Danny Boyles cleveren Thriller "Trance" und in eine Trance der Verzückung kann einen auch das Lauschen des Songs bringen. Smith seinerseits hatte als musikalischer Direktor der Eröffnungs- und der Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2012 ja bereits seine elektronischen Beats, Sounds und Loops perfekt auf Sandés engelsgleiche Stimme abgestimmt und somit dafür gesorgt, dass Sandés Auftritte dort glänzende Höhepunkte waren und ebendiese Kombination finden wir auch im träumerisch-schwelgerischen "Here It Comes". Vom intimen Beginn, wenn Sandes gehauchter Gesang noch zerbrechlich daherkommt, steigert sich der Song mit Beat, elektronischen Klangteppichen, analogen Trommeln und zuletzt gar Bläsereinsatz zu einem euphorisierenden Hymnus im Breitbildformat.







Donnerstag, 16. Januar 2014

Top 10 Lieder 2013: Platz 10-6

So, höchste Zeit für die Rückblicksaison bei adlerkuss. Wie im Vorjahr kürt adlerkuss auch diesmal im Januar die Songs des letzten Jahres 2013, der eine oder andere erinnert sich vielleicht noch. Ausgewählt sind die Songs jedoch wieder mit dem Vorbehalt, keine Lieder zu verwenden, die auf einem der meiner bescheidenen Meinung nach zehn besten Alben des Jahres zu finden sind. Mithilfe dieser nerdigen Spielregel ist es deutlich leichter, versteckte Perlen und Einzelveröffentlichungen zu ihrer wohlverdienten Erwähnung kommen zu lassen. Hier nun also Platz 10-6 der besten Songs des Jahres, die nicht gleichzeitig auf einem der zehn besten Alben des Jahres 2013 enthalten sind:

10. Albert Hammond jr. - St. Justice

Der Gitarrist der Strokes hat im Oktober 2013 die Solo-EP AHJ veröffentlicht deren Opener "St. Justice" ein mit nervöses groovendem Gitarrenriff ausgestatteter Indiehit ist - und (leider) besser als alles, was die Strokes in den letzten zehn Jahren gemacht haben. Der Sohn des Herren, der uns seinerzeit erklärt hatte, dass es in Südkalifornien nie regnet, sondern höchstens mal tröpfelt, erzählt in Text und Video eine zarte Liebesgeschichte. Sehr toll.





9. Anouk - Birds

Ob der Eurovision Song Contest wirklich der richtige Ort war für einen dramatisch-theatralischen Song, in dem davon die Rede ist, dass Vögel von den Dächern und wie Regentropfen (nicht in Südkalifornien) aus dem Himmel fallen? Sei es drum, Anouk lieferte im Mai für die Niederlande zwar kein ESC-Siegmaterial, aber eine groß orchestrierte und mit dunkler Stimme vorgetragene sowohl verstörende als auch berührende Düsterballade.




8. Janelle Monáe - Dance Apocalyptic

Janelle Monáes tolles, wenn auch überlanges aktuelles Album ist ein eklektischer Genremix von Soul und Doowop der 60er Jahre über 90s RnB bis hin zu superaktuell klingenden Nummern. Highlight ist das nostalgisch schmissige, in klanglicher Nachfolge zu Monáes Risenhit "Tightrope" von vor einigen Jahren stehende, jedes noch so lahme Tanzbein zum schwingen bringende "Dance Apocalyptic". It's the end of the world as we know it, but this sure feels fine.




7. Moonface - November 2011

Dojos hat ja erst Anfang dieses Monats das hervorragende aktuelle Album von Moonface hier bei adlerkuss vorgestellt.  Den Höhepunkt der nur von Spencer Krugs ergreifender Stimme und Klavier getragener Liedersammlung stellt das berührende und ungeheuer romantische "November 2011" dar, mit der wunderbaren und emphatisch vorgetragenen Liebeserklärung: "Baby we both know we are both crazy / And we both know that you can stay as long as you would like to stay". Dem ist wohl kaum noch einmal etwas hinzuzufügen.





6. ZAZ - On Ira

Die französische Neo-Chanteuse Isabelle Geffroy alias ZAZ hatte 2013 mit dem Album "Recto Verso"  ihr bisher erfolgreichstes Jahr mit Hitparadenplatzierungen in diversen europäischen Ländern (Deutsche Albumcharts: Rang 2 im Mai ) und das zurecht. "On Ira", eine groovend treibende Hymne auf die menschliche Vielfalt ist ein unglaublicher Ohrwurm, der zum Mitwippen zwingt und bei dem ZAZs mitreißende Stimme besonders gut zur Geltung kommt.








Freitag, 3. Januar 2014

Dojos' warme Platten: Moonface - Julia With Blue Jeans On

Bevor bei adlerkuss der Blick zurück aufs Vorjahr ansteht, hat Dojos noch eine warme Empfehlung:

Ein Konzeptalbum über eine Beziehung? Auf voller Länge nur mit Piano und Gesang? Klingt nach einem abgedroschenen Wagnis, auf das sich Spencer Krug da mit seinem Projekt "Moonface" eingelassen hat. Doch das Album  "Julia with Blue Jeans on" funktioniert. Vom ersten bis zum letzten Track.

Versöhnlich, fast wie leichte Filmmusik schleicht sich der Opener "Barbarian" ins Gehör. Krugs gnadenlose Selbstreflektion, die wie gewohnt nicht lange auf sich warten lässt, erzeugt in der ernsten Atmosphäre des Songs einen fast musicalhaften Sog. Dass so aufrichtige und doch überschwängliche Zeilen wie: "...i asked you where you want to be buried / and you asked me the name of the town where I was born." berühren, liegt auch an der Pianobegleitung, die sich immer wieder verschmitzt aus ihrer pathetischen Verantwortung befreit.

Krug kann "Everyone is Noah, everyone is the ark" singen, ohne die Tragweite zu zementieren und ohne Effekthascherei. Die Lyrics wirken wie spontan hingedacht, die Bilder die er damit öffnet, bezwingend, ohne an ihrer eigenen Schwere zu kollidieren: "I would like to be more for you than just a ghost, lighting up in the courtyard / sometimes i am an actual man standing perfectly still in the dark." heisst es etwa in "Love the House you're in."

Die Spannung hält sich auch deshalb auf Albumlänge aufrecht, weil Krug so gefährlich nah am Pathos singt, dass man ständig versucht ist, ihn dabei zu ertappen und irgendwann am Ende das Songs dann gebannt staunt, wie er sich doch wieder ganz beiläufig reinschleichen konnte.

"Julia with Blue Jeans on" transportiert mit naiver Spielfreude eine kolossale Schönheit. Es ist ein intimes Album, das es schafft, aufrichtig zu bleiben ohne zu nahe zu treten und zu berühren, ohne sich selbst zu überheben. Oder um es mit Krugs Worten zu sagen: "...and we will find a spot in the sun / Where we will let our hearts run wild / They will come back late / They will come back black / But then we'll hear black is back in Style." Vielleicht verhält sich das mit Konzeptalben ja ganz ähnlich.