Dienstag, 18. Februar 2014

Dojos' warme Platten: Ja, Panik - Libertatia

"Ich wünsch mich dahin zurück wo's nach vorne geht / Ich hab auf Back to the Future die Uhr gedreht." Mit diesen Zeilen beginnt "Libertatia", das fünfte Album von Ja, Panik. Mehr noch als an der Zeit, drehen die in Berlin lebenden Österreicher darin an den Synthies. War der Vorgänger "DMD KIU LIDT" noch opulent akustisch inszeniert, treibt "Libertatia" ein homogener Minimalismus. Oder: Die Platte ist wie eine gefüllte Tanzfläche, in deren Mitte ein Eurodance-Nerd so versunken abgeht, dass die Punks um ihn herum für einen Moment das Pogen vergessen. Das ist für beide kein schlechter Deal.

In "Dance the ECB" ergibt sich so ein heiter vergifteter Groove, der sich an Fehlfarben und DAF heranschmeißt und "Tanz den Mussolini" auch textlich ein würdiges Gegengewicht setzt: "Dance the ECB / Swing die Staatsfinanzen / Sing ihnen ihre Melodien / Zwing sie zum Tanzen."

Bezwingend bleibt dabei auch das Album: Auf "Au Revoir" wird die sterile Orchestrierung von den Lyrics wachgerüttelt. Nach wie vor klingt Andreas Spechtl wie ein Chorknabe der Dekadenz, doch inzwischen hat er auch die Wehmut verinnerlicht: "Ich weiß hier wird morgen alles beim alten sein / Nur ich bin MIA, Gone with the Wind / Und niemand wird merken dass ich verschwunden bin."

Zum Glück sehr präsent gibt sich der Sänger aber schon im nächsten Track: "Post Shaky Time Sadness". Im Midtempo der spielfreudigen Ballade vertieft Spechtl seine Innenschau: "Erinner dich ans letzte Jahr / Und das wir unterm Strich gesehen / Alle viel zu müde waren." Dass der Song trotz dieser Haltung mitreißt, liegt auch daran, dass der Sänger mit Fragen wie "Andy, do you wanna be?" nicht das Pop-Appeal der Melodie sprengt.

Wie in allen Vorgängeralben von Ja, Panik finden sich auch auf "Libertatia" zahlreiche Remineszenzen an die Subkultur. So bekommt ein klassischer Punkschlachtruf auf "ACAB" mit "All Cats are Beautiful" ein zuckriges und zärtliches Ebenbild. Im falcoesken "Chain Gang" erklimmt Spechtl, vorbei an "Junge Römer", seine eigene große androgyne Geste: "I'm one of the He-She-It's / Between Thunder and Blitz / I'm one of the In-between / Girls and Boys."

Trotz einiger Ausflüge in die Grooviness, wie auch in "Radio Libertatia" bleibt das Album das bisher ruhigste der burgenländischen Band, die inzwischen nur noch aus drei Mitgliedern besteht. Vor allem in "Eigentlich wissen es Alle" gibt Spechtl einen ungekünstelten und intimen Einblick in diese und andere Veränderungen: "Nie wieder so jung trinken / Nie wieder solche Galgenvögel sein / An den Orten die sterben wie Menschen / Auch wenn sie fortzuleben scheinen."

"Libertatia", das auf eine utopische Insel der Anarchie anspielt, klingt aber trotz der dominierenden Wehmut mit dem Track "Antananarivo" versöhnlich aus: "Es kann uns nichts passieren / Abends sind wir alle quitt / In einer anderen Stadt / Für ein anders Leben / Werden wir uns wieder begegnen." heißt es da, und das klingt fast so als dürfte man Ja, Panik bald wieder dabei zuhören, wie sie die Uhren auf Back to the Future drehen.

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