Sonntag, 18. Januar 2015

Top 10 Alben 2014: Platz 5-1

Ohne further ado folgt hier nun endlich die musikalische Crème de la Crème des Vorjahres – Platz 5 bis 1 der meiner unbescheidenen Meinung nach besten Alben des Jahres 2014.

5. Alvvays: Alvvays (Juli 2014)

Das fünftbeste Album des Jahres  kommt vom kanadischen Quintett Alvvays um Sängerin Molly Rankin. Die selbstbetitelte Debütplatte bietet feinsten, oft bittersüßen Surf-Dream-Pop mit 60s-Einschlag und erinnert an Heroen wie Best Coast, Teenage Fanclub oder die jungen Belle & Sebastian. Zugleich melancholisch-nostalgisch und mitreißend beschwingt ist "Alvvays" von Alvvays eine wunderbare Ergänzung für den Lebenssoundtrack.

Beste Songs: Next of Kin und Atop a Cake



4. Wanda: Amore (Oktober 2014)

Wanda wurden mit ihrem Debütalbum "Amore" nicht zu Unrecht als neue Ikonen des zeitgenössischen Austropop gefeiert. Direkter und weniger verkopft als Bilderbuch oder Der Nino aus Wien kombinieren Wanda melodietrunkene Indiepopmusik mit amüsanten Texten voller zitierfähiger Stellen. Highlight des Albums ist die Trennungshymne "Auseinandergehn ist schwer" mit der hervorragenden Zeile "wannst b'soffen wirst, redst immer nur von ihr". Wer kennt diese Problematik nicht...

Beste Songs: Schickt mir die Post und Auseinandergehen ist schwer




3. Future Islands: Singles (Februar 2014)

Das zurecht selbstbewusst "Singles" getaufte vierte Album der Synthpop-Band aus Baltimore ist all killer no filler voller mitreißender Hymnen. Getrieben von Schlagzeug und einem Peter-Hook-Bass-Sound, sowie großer New-Wave-Synthie-Hooks schmettert sich Frontmann Samuel T. Herring mit unwiderstehlichem Verve durch zehn potenzielle Hits, denen weder Herz noch Tanzbein widerstehen kann.

Beste Songs: Fall from Grace und Seasons (Waiting For You), hier in der bereits legendären, unwiderstehlichen Live-Version aus der Letterman-Show.



2. Ja, Panik: Libertatia (Feber 2014)

Statt wie bisher meist dem schrammelnden Indie-Rock wird auf der fünften Platte der Ösi-Berliner Ja, Panik der 80s-Popmusik gehuldigt, mit der einen oder anderen musikalischen Referenz an Roxy Music oder gar Falco.  Und auch in der politischen Agenda scheint sich etwas getan zu haben, denn nicht mehr die Revolution, sondern eher das Arrangement mit dem Verhältnis und kleine Fluchten im Privaten werden hier besungen. Allerdings ist "Libertatia" auch ganz ohne ideellen Überbau eine herrlich eingängige Platte mit augenzwinkernd selbstironischen Zeilen, funky Rhythmen und ohrwurmfördernden Melodien. Oder wie hatte es adlerkuss-Rezensent Dojos letzten Februar ebenso schön wie kryptisch formuliert: "Die Platte ist wie eine gefüllte Tanzfläche, in deren Mitte ein Eurodance-Nerd so versunken abgeht, dass die Punks um ihn herum für einen Moment das Pogen vergessen. Das ist für beide kein schlechter Deal." 

Beste Songs: Libertatia und Au Revoir





1. Elbow: The Take Off and Landing of Everything (März 2014)

Mit ihrem sechsten Album haben es die gestandenen Indie-Rock-Mannen (das Debüt stammt von 2001) um den bärtigen Bariton Guy Garvey zum ersten Mal auf Platz 1 der britischen Charts geschafft. Dabei ist es nicht so, dass die Herren aus Manchester nach ihrem großen Erfolg "One Day Like This" anno 2008, der noch in hundert Jahren Hochzeiten und den Abspann von Sportübertragungen untermalen wird, den vermutlich einfacheren Weg in Richtung Radiohymnenproduktion gegangen wäre, sondern vielmehr mit einem zurückhaltenderen Werk vor drei Jahren die Coldplay- bzw. U2isierung des eigenen Sounds zu vermeiden wusste. "The Take Off and Landing of Everything" bedeutet nun gleichzeitig eine weitere Verfeinerung des eigenen Songwritings mit einigen eingestreuten Ausflügen in Prog-Gefilde. Elbow lassen den Songs auf diesem Album Zeit, mehrfach geht die Spieldauer der Tracks über die 6-Minuten-Marke hinaus. Der clevere Aufbau und die feine Produktion der Stücke mit zurückhaltend eingesetzten Streichern und Bläsern verhindern jedoch, dass jemals so etwas wie Langeweile aufkommt, sondern vielmehr ein magisch-hypnotischer Sog entsteht, der sowohl für Gänsehaut als auch für majestätische Euphorie sorgt. 

Beste Songs: My Sad Captains und Fly Boy Blue / Lunette




Donnerstag, 15. Januar 2015

Top 10 Alben 2014: Platz 10-6

Nachdem mit dem besten Liedern der Rückblick auf die Höhepunkte der kurzen Form abgehandelt ist, folgen nun die besten Musikalben des Jahres 2014. Obwohl wegen Spotify, Grooveshark und Konsorten die Verkaufszahlen von Alben sowohl in physischer als auch in digitaler Form steil nach unten gehen (die Schallplatte ist hier mit 9 Millionen verkauften meist schwarzen Scheiben im Vorjahr allein in den USA - und damit 50% mehr als 2013 als es auch schon 34% mehr als 2012 waren -  ein herrlich sympathischer, dem Zeitgeist widersprechender Ausnahmefall) ist aus kreativer Sicht die Liedersammlung eines Künstlers im Albumformat nach wie vor prächtig lebendig.

Hier nun also Platz 10 bis 6 auf der Liste der meiner Meinung nach besten im Jahr 2014 erschienenen Alben:

10. Crying Day Care Choir: Leave the Kingdom (Mai 2014)

Der weinende Tagesstättenchor wusste bereits mit seiner ersten EP im Jahr 2012 und der Weihnachtsliedkollektion anno 2013 zu begeistern. Im Vorjahr erschien nun mit "Leave the Kingdom" endlich das erste richtige Album der inzwischen zum Quintett angewachsenen schwedischen Folk-Pop-Band. Zu hören gibt es herrlich melodieseelige Folkmusik mit fein arrangiertem Harmoniegesang und hymnischen Refrains, die an Fleet Foxes oder eine weniger glatte Variante von Mumford & Sons erinnert. Dass diese Band nicht bekannter ist, ist ein Skandal.

Beste Songs: Folklore und Hymn for Ragna (A Lover's Life)




9. Leonard Cohen: Popular Problems (September 2014)

Der einmalige und unvergleichliche Poet und Singer-Songwriter Leonard Cohen veröffentlichte am 23. September, zwei Tage nach seinem sage und schreibe 80. Geburtstag, sein 13. Studioalbum "Popular Problems". Abwechslungsreicher arrangiert als auf dem Vorgänger "Old Ideas" raunt sich der Altmeister durch neun Songperlen zwischen Blues, Folk oder hallelujaheskem Hymnus und dank Ex-Madonna-Produzent Patrick Leonard tauchen auch mal poppigere oder gar sanft elektronische Klänge auf. Ein Umstand, der puristische Jüngern eventuell entrüstet, tatsächlich aber eine angenehme Auflockerung der Düsternis der Cohenschen Lyrik bietet. 

Beste Songs: Almost Like the Blues und Nevermind

Leonard Cohen - Nevermind - - www.muzik20.com from El Pueblo on Vimeo.


8. Thom Yorke: Tomorrow's Modern Boxes (September 2014)

Die elektronische Ausrichtung des zweiten Solo-Albums von Radiohead-Frontmann Yorke überrascht nach dem letzten Werk seiner Hauptband und auch schon wenn man sich das Solo-Debüt "The Eraser" von 2006 zurück ins Gedächtnis ruft, natürlich keineswegs.  Dennoch ist es faszinierend mit welcher Konsequenz hier praktisch auf jegliche organisch klingende Instrumentierung verzichtet wurde und stattdessen Beats und Beeps dröhnen, fiepen und rauschen. Die Kombination dieser unterkühlten Klangwelt mit Yorkes intim, warm und verletzlich klingenden Falsettstimme übt einen nahezu hypnotischen Sog aus.

Beste Songs: Interference und  A Brain in a Bottle




7. Damon Albarn: Everyday Robots (April 2014)

Nachdem Blur sich seit 2003 im nur gelegentlich unterbrochenen Winterschlaf befinden, lag Tausendsassa Damon Albarn nicht auf der faulen Haut und veröffentlichte unter anderem (!) vier Alben mit der eklektischen Affenbande der Gorillaz, zwei kollaborative Alben mit afrikanischen Volksmusikern, war Mitglied zweier Supergroups und schrieb zwei Opern. Erst im vergangenen April jedoch gab es erstmals die Veröffentlichung einer Songkollektion unter dem Namen Damon Albarn. Diese bereits formal auffällige Reduktion findet im meist melancholischen Sound von "Everyday Robots" überwiegend ihre Fortsetzung, denn oftmals begnügt sich Albarn mit zurückhaltenden Akzenten auf Klavier oder Gitarre über einem sanften mit zurückhaltenden Loops und Samples angereicherten elektronischen Beat.

Beste Songs: Lonely Press Play und You And Me




6. The Notwist: Close to the Glass (Februar 2014)

Die Weilheimer Indielectric-Größen von The Notwist hatten sich mit diesem neuen Album stolze sechs Jahre Zeit gelassen, das lange Warten hat sich für uns Hörer jedoch gelohnt. Das heiß ersehnte, einen Stilmix von Folk bis Krautrock beherbergenden "Close to the Glass" mit ungewöhnlichen Rhythmen, wildem Elektrogefrickel und großen, wie aus dem Ärmel geschüttelt wirkenden Melodien ist ein weiteres Zeugnis für die gelungene Soundbastelei Marke Notwist. Der eingängige Indierocker  "Kong" wäre in einer gerechten Welt ein Superhit, "Into Another Tune" widerum erinnert in seiner kühlen Beklemmung an die späten Portishead.

Beste Songs: Into Another Tune und Kong

Dienstag, 6. Januar 2015

Top 10 Lieder 2014: Platz 5-1

Kommen wir nun zu adlerkuss' Dauerrotationskandidaten und absoluten Gehörgangsschmeichlern aus dem Vorjahr. Hier sind die besten 5 Songs 2014 (die nicht auf einem der 10 besten Alben 2014 erschienen sind)!

5. Perfume Genius: Queen

Mit verzerrten Rockgitarren (vgl. R.E.M.'s Monster), Cembalo, markigen Drums und Hintergrundchor fährt  die glamouröse Hymne "Queen" vom dritten Album der Ein-Mann-Band Perfume Genius von Mike Hadreas musikalisch schwere Geschütze auf, die herrlich zum flamboyanten Gesang und der im Text beschworenen, "Hoppla-jetzt-komm-ich"-Mentalität passen. 





4. Tom Petty & The Heartbreakers: Faultlines

Stolze 38 Jahre nach ihrem Debütalbum rockten Herr Petty und seine Herzensbrecher im vergangenen Jahr auf ihrer neuen Platte "Hypnotic Eye" so leidenschaftlich wie schon lange nicht mehr . Im von einem wild galoppierenden Basslauf getriebenen, herausragenden "Faultlines" dient im Text die Plattentektonik als Metapher für nie direkt ausgesprochene Seelenqualen, denen hier mit packendem Groove begegnet wird.




3. FKA twigs: Two Weeks

Es gab 2014 wohl kaum einen Song der zugleich so sexy und verstörend war wie FKA twigs' R'n'B-Trip "Two Weeks" vom Debütalbum der Britin, deren Sound an eine Menage à Trois aus Kate Bush, Björk und Aaliyah erinnert . Über stotternd flirrenden Synthies und verschlepptem Beat versucht die Erzählerin unverblümt ihren Wunschlover zu betören ("I can fuck you better than her") und evoziert dabei lyrisch wie musikalisch ein Spannungsfeld von Unterwürfigkeit und Dominanz, das in 4 Minuten deutlich aufregender ist als drei Teile "Shades of Grey" es jemals zustande bekommen.

FKA TWIGS [two weeks] from nabil elderkin on Vimeo.


2. Fanfarlo: Let's Go Extinct

Der Titelsong und majestätische Schlusspunkt von Fanfarlos drittem Album ist eine bittersüße, epische Ballade, die die titelgebende Weltuntergangssehnsucht in einen bezaubernden Klangteppich aus sphärischen Keyboardsounds, ergreifendem Harmoniegesang und sanften Streichern verpackt. Und endgültig hin und weg ist man spätestens wenn Frontmann Simon Balthazar mit sich wehmütig überschlagender Stimme zum Refrain ansetzt: "Cause it's clear the wheels have turned / We're standing in the way of ourselves / The world will go on without us". Hach.





1. Taylor Swift: Shake It Off


Auch wenn die Indie-Polizei entsetzt sein mag (haters gonna hate hate hate), der beste Song des Jahres ist die poptastische erste Single vom fünften Album des ehemaligen Country Girls Taylor Swift. Wohl seit Outkasts "Hey Ya!" vor über zehn Jahren hatte es keinen Popsong mehr gegeben, der derart eingängig, ansteckend gutlaunig und mit infektiösem Rhythmus daher kommt, sodass ein Anhören des Songs ohne wildes Abzappeln wie eine Unmöglichkeit erscheint. Und während es in "Hey Ya" noch Körperteile waren, die wie eine Polaroidaufnahme geschüttelt werden sollten, bietet "Shake It Off" auch noch eine universal vernünftige Botschaft, nämlich den Aufruf dazu, ungerechtfertigte Kritik lässig-entspannt zur Kenntnis zu nehmen und lächelnd bis tanzend abzuschütteln. 




Samstag, 3. Januar 2015

Top 10 Lieder 2014: Platz 10-6

So, 2014 hätten wir auch wieder rum. Höchste Zeit für einen Rückblick auf die Dinge des Jahres, die wirklich wichtig waren: Songs und Filme. Sowohl die musikalischen als auch die cineastischen Highlights des zurückliegenden Jahres werden hier bei adlerkuss heute und in den nächsten Tagen nochmal in ungeheuer subjektiven Top-10-Listen vorgestellt . Los geht es mit den besten Liedern des Vorjahrs, ausgewählt sind die Songs jedoch wieder mit dem Vorbehalt, keine Lieder zu verwenden, die auf einem der meiner bescheidenen Meinung nach zehn besten Alben des Jahres zu finden sind. Mithilfe dieser nerdigen Spielregel ist es deutlich leichter, versteckte Perlen und Einzelveröffentlichungen zu ihrer wohlverdienten Erwähnung kommen zu lassen. Hier nun also Platz 10-6 der besten Songs des Jahres, die nicht gleichzeitig auf einem der zehn besten Alben des Jahres 2014 enthalten sind:

10. Johnny Cash: She Used to Love Me a Lot

Der selige Man in Black veröffentlichte auch 2014 mal wieder von seiner Wolke aus ein neues Album, das aus alten Aufnahmen aus den Jahren 1981 und 1984 zusammengestellt worden war. Begleitet von Mandolinengezupfe erzählt Cashs große, seinerzeit noch nicht brüchige Stimme ergreifend von reumütiger Sehnsucht und verpassten Gelegenheiten.



She Used To Love Me A Lot (Audio) von
  Johnny Cash auf tape.tv.



9. Judith Holofernes: Liebe Teil 2 - Jetzt erst recht

Die erste Single von Heldin Judiths gelungenem Soloalbum berichtet von der sich ändernden Dynamik einer Beziehung, wenn erst mal Kinder da sind. Abgesehen davon, dass das textlich dieses Jahr recht interessant war, glänzt die Indiepop-Perle mit Frau Holofernes' schmeichelnder Kieksstimme, Ukulele-Shuffle und Ohrwurm-Refrain.




8. Caribou: Can't Do Without You

Herzerwärmende Romantik auf dem Dancefloor und das ganz ohne chemische Drogen: Die Tanzbodenhymne "Can't Do without You" des kanadischen Elektroniktüftlers Caribou, die aus wenig mehr als der auf einem sanft steigernden House-Beat schwebenden, scheinbar endlos geloopten Titelzeile besteht, bringt sowohl Beine als auch Gefühle in Wallung. 




7. Get Well Soon: Staying Home

Tausendsassa Konstantin Gropper lässt uns weiter auf ein neues Album von Get Well Soon warten, im November gab es jedoch 3 EPs mit jeweils einem übergeordneten Thema. Der Song "Staying Home" ist das Schlussstück auf "The Lufthansa Heist", auf dem der Musikstil gefeiert wird, der den jungen Konstantin seinerzeit dazu motivierte, eine Gitarre in die Hand zu nehmen und Musik zu machen. Eine herrlich groovende Hommage an den College-Rock der 90er Jahre.




6. Conchita Wurst: Rise Like a Phoenix

Und wieder schafft es ein Eurovision-Song-Contest-Beitrag in  meine Jahrescharts. Der Siegertitel des Gesangswettstreits aus dem vergangenen Mai ist ganz unabhängig vom Gesichtshaar der Interpretin eine wunderbar produzierte James-Bond-Vorspann-Bombast-Ballade der ganz alten Schule. L'Autriche, douze points!