5. Oliver Gottwald: Zurück als Tourist (Februar 2015)
Oliver Gottwalds Debüt als Solokünstler ist enorm ohrwurmiger Indie-Pop mit cleveren Texten, erinnert damit natürlich an Anajo und das ist durchaus auch gut so. Mit der Unterstützung seiner neuen Band scheint der Sound jedoch gleichzeitig noch etwas konziser, dennoch variabler und damit womöglich erwachsener geworden zu sein. So wartet der Rezessionshit "Alles muss raus" mit Sixties-Harmoniegesang auf und "Alter Ego", das bei Indie-Disco-Abenden dieser Republik zahllose Studenten ins Schwitzen bringen sollte, glänzt mit maximoparkesker Zackigkeit und zwingt Gliedmaßen förmlich in Bewegung - ein Highlight des Albums. Als solches muss auch "Freunde fürs Leben" gelten, feinster Mittwippgitarrenpop mit doppelbödigem Text, denn düster und abgründig halten einen diese Freunde fürs Leben hier "umzäunt und umzingelt, fest umklammert".
Beste Songs: Freunde fürs Leben und Alter Ego
4. Muse: Drones (Juni 2015)
Ein Konzeptalbum über einen gehirngewaschenen und schließlich geläuterten Soldaten sowie den Drohnenkrieg an sich - darunter machen es Matthew Bellamy und Konsorten einfach nicht mehr. Textlich ist das so bierernst und überzogen, dass Pink Floyds "The Wall" vergleichsweise spielerisch daherkommt, jedoch sind die Songs von derart mitreißend epischer Größe, dass sich darüber größtenteils hinweg sehen lässt. Musikalisch auf den kleinsten Nenner gebracht könnte man "Drones" nach dem symphonischen "Resistance" und dem elektronischen "2nd Law" als Rückkehr zu Muse' rockigen Wurzeln bezeichnen. Auf Rockbrettern wie "Reapers" und "The Handler" gniedelt Bellamy begnadet wie lange nicht auf seiner Gitarre und "Defactors" hätte Brian May sicherlich gerne auch mit seinem Kumpel Freddie gespielt. Auf die Spitze getrieben werden Genie und Größenwahn mit dem Zehnminüter "The Globalist" der beginnend mit einem Morricone-Harmonika-Intro über ein Gitarrengewitter in einer schwelgerischen Pianoballade mündet.
Beste Songs: The Handler und The Globalist
3. Sufjan Stevens: Carrie & Lowell (März 2015)
Nach "The Age of Adz", seinem eklektizistischem Bombast-Epos voller Fiepen, Scheppern und Gefrickel von 2010 veröffentlichte Tausendsassa Sufjan Stevens noch rasch 58 Weihnachtssongs und ein Elektro-Hip-Hop-Album, bevor er im März 2015 mit dem intimen und reduzierten Sound von "Carrie & Lowell" zu überraschen und zu begeistern wusste. Nahezu ohne Percussion, größtenteils nur von akustischen Gitarren begleitet, erzählen Stevens sanft bis verhuscht vorgetragenen Songs von seinem Stiefvater Lowell, seiner depressiven, 2012 verstorenen Mutter Carrie und dabei trotz der ultrapersönlichen Thematik auch immer von universellen Aspekten von Vergangenheitsbewältigung, Trauer und Familie.
Beste Songs: All of Me Wants All of You und I Should Have Known Better
2. Blur: The Magic Whip (April 2015)
Woohoo! 16 lange Jahre nach der Krautrockmagie von 13 legten Blur tatsächlich ein neues Album vor. Anno 2013 waren Damon Albarn, Graham Coxon, Alex James und Dave Rowntree wegen eines abgesagten Festivals für einige Tage in Hongkong gestrandet und nutzten die Gelegenheit dazu, im Studio ein wenig Musik zu machen. Coxon, der Monate später erneut an den Demos tüftelte und die Kollegen davon überzeugte, dass das ganze Potenzial hat, ist es zu verdanken, dass "The Magic Whip", dieser Spaziergang durch die Blurschen Klangwelten mit leicht asiatischem Einschlag in den Themen und manchen Sound,s tatsächlich veröffentlicht wurde. Ohne sich je selbst zu kopieren, gelingt Blur hier eine abwechslungsreiche und doch stimmige Rezeptur von Songs, die aus allen Phasen ihrer Bandgeschichte stammen könnten, verfeinert mit einer Prise Gorillaz, einer Messerspitze The Good, The Bad & The Queen und einem Schuss Damon Albarn solo.
Beste Songs: Pyongyang und Lonesome Street
Lonesome Street von Blur auf tape.tv.
1. Chvrches: Every Open Eye (September 2015)
Mit ihrem Zweitwerk, einer konsequenten Weiterentwicklung des eigenen Klangs ohne sich dabei neu erfinden zu wollen, gelingt dem schottischen Elektro-Pop-Trio Chvrches ein atemberaubendes All-Killer-No-Filler-Album. Rauschhaft monumentale Synthie-Hymnen mit wilden Loops und explosiven Refrains, die von Sängerin Lauren Mayberrys glockenheller, mädchenhafter Stimme mitreißend vorgetragen werden, dominieren den Sound von "Every Open Eye". Aufgrund der Dominanz der großen Ohrwürmer wie der Trennungshymne "Leave a Trace" oder dem Von-0-auf-100-Opener "Never Ending Circles" übersieht man zunächst leicht, dass Chvrches auch die etwas leiseren Töne durchaus beherrschen, wie im nachdenklichen, leicht autotune-infizierten "Downside of Me", dem von Keyboarder Martin Doherty verhuscht vorgetragenen "High Enough to Carry You Over" und der sphärischen Abschlussballade "Afterglow" zu hören ist. Der beste Song des Albums und der beste Song des Jahres ist jedoch das sich atemberaubend steigernde "Clearest Blue", dessen wummernde Beats und flirrende Synthies unerbittlich einem energiegeladenen, furiosen Höhepunkt entgegen treiben, an dem eine zum albernen Herumhüpfen nahezu zwingende, furiose Keybordfigur an Depeche Modes "Just Can't Get Enough" erinnert. Adrenalin und Endorphin pur.
Beste Songs: Leave a Trace und Clearest Blue
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